KI im Gymnasium

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Die Gesichtsausdrücke der Teilnehmenden schwankten zwischen Faszination und blankem Entsetzen. Der Schauplatz: ein Konferenzraum in Oldenburg. Der Anlass: Im Dezember 2024 veranstaltete die Fachgruppe Gymnasium der GEW eine eintägige Fortbildung unter dem Titel „Künstliche Intelligenz im Unterricht – Grundlagen für Lehrkräfte“. Die Referenten waren unser Fachgruppenmitglied Holger Seidel vom Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Ahlhorn und Klaas Wiggers vom Gymnasium an der Willmsstraße in Delmenhorst.

Angesichts der wachsenden Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Bildung und im Unterrichtsalltag war es nur logisch, dass die Fachgruppe Gymnasium diese Fortbildung ins Leben rief. Doch warum gab es nun diese gemischten Emotionen? Eine positive Erkenntnis war, dass der Einsatz von KI Lehrkräfte bei der Unterrichtsvorbereitung und -nachbereitung (zum Beispiel bei der Planung von Unterrichtsreihen oder der Korrektur von Klausuren) erheblich entlasten kann. Gleichzeitig sorgte es für Entsetzen, dass Schüler*innen mit passenden Prompts mithilfe von KI-Tools mühelos anspruchsvolle und perfekt gestaltete Präsentationen zu Unterrichtsthemen erstellen können.

Die Fortbildung begann spielerisch mit einem grundlegenden Überblick über die Geschichte der KI und deren technische Funktionsweise. Durch das Spiel „Verstärkendes Lernen – Schlag den Roboter“ von Stefan Seegerer konnten die Teilnehmenden nachvollziehen, wie Maschinen durch Interaktion mit Nutzer*innen Spielzüge erlernen. Diese Interaktion zwischen Mensch und Maschine wurde an verschiedenen Programmen erprobt und verdeutlichte, dass eine KI umso professioneller wird, je mehr Trainingsdaten sie von Menschen erhält. Wenn beispielsweise Tausende von Menschen die Zahl „4“ handschriftlich eingeben, lernt die KI die unterschiedlichsten Schreibweisen und speichert diese in ihrer Datenbank. So kann sie eine krakelige „4“ mit hoher Treffsicherheit als korrekt transkribierte Zahl „Vier“ wiedergeben. Ähnliches gilt für Texte, die zur Korrektur in ein Tool hochgeladen werden. Wird die Funktionsweise einer KI verstanden, ist es leichter, sowohl das Potenzial als auch die Grenzen und Risiken von KI zu erkennen.

Im nächsten Schritt stand das sogenannte „Prompting“ auf der Agenda. Dieser Begriff beschreibt den Dialog mit der KI, der effektiv und effizient geführt werden sollte, um stimmige Reaktionen zu erhalten. Hierbei wurden verschiedene Arten des Promptings vorgestellt: vom Single Shot-Prompt über den Master-Prompt bis hin zum Mega-Prompt. Die Teilnehmenden erhielten die Aufgabe, einen Mega-Prompt für ein KI-Tool zu entwickeln, damit die KI eine bereitgestellte harmlose, ja beinahe langweilige kleine Geschichte über ein Mädchen so umformuliert, dass sie sowohl sprachlich für junge Erwachsene angemessen als auch inhaltlich erheblich spannender wird. Die unterschiedlichen Ergebnisse verdeutlichten, wie wichtig präzise und differenziert formulierte Arbeitsaufträge für die KI sind. Zudem zeigte das Experimentieren mit den Promptings, dass dies ein anspruchsvolles Thema ist, das gemeinsam mit Schüler*innen im Unterricht wie ein Impuls genutzt werden kann, um deren sprachlichen Ausdruck zu üben und zu stärken – und natürlich auch, um einen sinnvollen Umgang mit KI zu erlernen. Die Qualität der Antworten einer KI hängt maßgeblich von der Qualität des Promptings ab, das vom Nutzenden entwickelt wird. Den Teilnehmenden wurde zudem vermittelt, dass das Prompting kontinuierlich nachjustiert werden kann. So wurde die Ausgangsgeschichte um das Mädchen Luna immer weiter „verfeinert“, und schließlich erhielt die KI den Auftrag, Bewertungskriterien für den Text zu entwickeln und ihn nach diesen Kriterien zu benoten. Nebenbei wurde auch vermittelt, wie Multiple-Choice-Tests entwickelt werden können und dass ein höflicher Umgang mit der KI von großer Bedeutung sei: Die Verwendung der Begriffe „Sie“, „Bitte“ und „Danke“ sollte selbstverständlich sein, denn das steigere die Qualität der Antworten – ebenso wie das Angebot von Trinkgeld (wobei niemand so recht weiß, warum, wie die Referenten schmunzelnd anmerkten).

Ferner wurden auch Datenschutzproblematiken sowie Urheberrechte angesprochen (und noch vieles, vieles mehr). Was die meisten Gymnasiallehrkräfte jedoch schockierte, waren die Möglichkeiten, die ein bestimmter KI-basierter Recherche- und Schreibassistent bietet, der es ermöglicht, Texte zu generieren, die wissenschaftlich klingen bzw. aussehen. Hierfür müssen lediglich die Quellen hochgeladen werden, auf deren Basis die Arbeit erstellt werden soll, und ein passender Prompt entwickelt werden – und schon ist die Facharbeit für das Seminarfach fertig! Eine neue Herausforderung für Lehrende an Schule und Universität.

Apropos Seminarfach: Im Dezember 2024 stellte das Niedersächsische Kultusministerium (MK) die Eckpunkte für die Qualifizierungsphase der Oberstufe in einer Pressemitteilung vor. Unter dem Leitaspekt „Niedersachsens Abitur soll zeitgemäß und zukunftsfest aufgestellt werden“ wird den Schüler*innen ab 2027 mehr Wahlfreiheit sowie den Schulen mehr Freiräume und Entlastung versprochen. Über die Inhalte des Eckpunktepapiers kann sich an anderer Stelle informiert werden, doch zwei Aspekte seien hier erwähnt: die geplante Abschaffung des Seminarfachs (und somit der Facharbeiten) sowie die Reduktion der Anzahl von Klausuren zugunsten eines neuen Prüfungsformats, dem sogenannten Kombinierten Leistungsnachweis (KLN). Dieser besteht aus einem schriftlichen/produktiven und einem mündlichen/reflexiven Teil, ähnlich der Präsentationsprüfung. Mit diesen Änderungen reagiert das MK auch auf die rasante Entwicklung von KI, doch bleibt abzuwarten, wie konkret sichergestellt werden kann, dass die technischen Möglichkeiten der KI von den Lernenden nicht über Gebühr beansprucht werden. Auch bleibt fraglich, ob die neuen Formate tatsächlich eine Entlastung für die Lehrkräfte bringen werden: Fest steht, dass spezielle Aufgabenstellungen entwickelt werden müssen, bei denen eine KI nur bedingt unterstützen kann. Dies setzt voraus, dass Lehrkräfte über umfangreiches Spezialwissen verfügen, um solche Fragestellungen zu formulieren. Der Beschluss der Bildungsministerkonferenz vom 10.10.2024 besagt, dass bei den neuen Prüfungsformaten ein besonderer Schwerpunkt auf die mündliche „Verteidigung“ gelegt wird, um die Eigenleistung der Lernenden erkennbar und bewertbar zu machen. Diese Handlungsanweisung wirkt nachvollziehbar, denn Erfahrungen aus dem eigenen Unterricht zeigen, dass Lernende bei Referaten und Präsentationen häufig keine Antworten auf Nachfragen haben und keine vertiefenden Erläuterungen geben können – zumindest immer dann, wenn das Referat wohl nicht eigenständig erarbeitet wurde. Zudem erarbeitet das MK zurzeit genauere Vorgehensweisen zum Umgang mit KI in Schulen – wir dürfen gespannt sein!

Die Teilnehmenden der eintägigen Fortbildung in Oldenburg gingen auf jeden Fall bestens informiert und technisch relativ versiert im Umgang mit verschiedenen KI-Tools nach Hause, jedoch nicht ohne ein gewisses Maß an gemischten Gefühlen.

von Ina Grünjes