Spätestens nach Veröffentlichung des 17- Punkte- Plans zur Lehrkräftegewinnung durch die alte Landesregierung im Sommer 2016 war zu erwarten, dass zunehmend Quereinsteigende Zugang in die Klassenzimmer finden. Der Quereinstieg wurde nun auch für den Primarbereich geöffnet – in anderen Schulstufen bzw. -formen ist er seit Jahren üblich.
Kultusminister Tonne begrüßt die „Bereicherung in Schule“ durch die Quereinsteigenden und kündigt an, die Zugangsvoraussetzungen weiter zu flexibilisieren.
Diese Notlösung zum Stopfen eines Unterrichtsversorgungslochs wird legitimiert durch den Beschluss der Kultusministerkonferenz „Gestaltung von Sondermaßnahmen zur Gewinnung von Lehrkräften zur Unterrichtsversorgung“ von 2013.
Seitdem macht Niedersachsen stetig Gebrauch davon:
75 Einstellungen in 2013, 159 in 2014, 222 in 2015 und 468 in 2016. Damit belegt Niedersachsen Platz 4 hinter Berlin, Sachsen und Nordrhein-Westfalen.
Mehr als ein Zehntel der Stellen ist zum aktuellen Schuljahr an Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger gegangen. 121 von 1070 waren es im Februar 2018, 230 von 1880 sind es nun zum aktuellen Schuljahr.
Die Startbedingungen wurden in den letzten fünf Jahren nicht optimiert. Im Gegenteil: Sie sind nach wie vor unzureichend.
In einem umfangreichen Beschluss verabschiedete die GEW Niedersachsen auf ihrem Gewerkschaftstag 2017 Forderungen zu Gelingensbedingungen des Quereinstiegs (https://tinyurl.com/ycncpbk4).
Gelingen kann der Quereinstieg für alle Betroffenen nur, wenn fundamentale pädagogische, didaktische und fachdidaktische Elemente zur vorhandenen Fachexpertise erworben werden können. Eine Qualifizierungsmaßnahme zur „Lehrkraft-light“ lehnt die GEW ab. Professionalisierung der Lehrenden steht an erster Stelle und ist heute wichtiger als je zuvor. Zu groß und anspruchsvoll sind die Herausforderungen, die an Lehrende gestellt werden.
Genauso wenig wird die GEW ein „Verheizen“ der Quereinsteigenden zur Rettung der miserablen Unterrichtsversorgung mittragen.
Aus diesem Grund lud der Bezirksverband in Weser-Ems seit Dezember 2016 regelmäßig interessierte Quereinsteigende ein, um deren Belange, Probleme und Erfahrungen aus erster Hand zu erfahren und dadurch besser vertreten zu können.
Die Liste der Missstände ist lang.
Einige sind hier exemplarisch genannt:
- In der 18-monatigen Qualifizierungsmaßnahme besuchen Quereinsteigende ein Studienseminar. Dafür werden sie mit 5 Anrechnungsstunden freigestellt. Im Stu-dienseminar sollen sie Fachseminare und Pädagogikseminare besuchen. Die Bedingungen der Studienseminare sind unterschiedlich, so ist es keine Ausnahme, dass wegen mangelnder Ausbilder*innenkapazitäten Quereinsteigende nicht an Seminaren teilnehmen können, weil die Plätze prioritär für Referendar*innen reserviert werden.
- Während der Qualifizierungsphase an den Seminaren dürfen Quereinsteigende lediglich in ihrem studierten Fach eingesetzt werden. Startet das Seminar später, dürfen sie auch fachfremd unterrichten. Das bedeutet, dass z.B. an einer Grundschule ein Sportwissenschaftler oder eine Diplom-Musikerin den Erstleseunterricht übernimmt – und das ohne vorhandene Fachexpertise. Quereinsteigende selbst beurteilen diese Vorgehensweise als höchst problematisch.
Das ist leider keine Ausnahme. Der Minister ist informiert, hat aber bislang nicht reagiert. - Einen Anspruch auf Verbeamtung haben Quereinsteigende nur, wenn u.a. zwei studierte Fächer von der Behörde anerkannt werden. Nach Prüfung ihrer Unterlagen fehlen oft nur wenige Credit Points, um ein Fach anerkannt zu bekommen. Es stellt sich dann die Frage, welche Studieninhalte genau nachstudiert werden müssen. Konkrete Antworten bleiben die Behörden schuldig.
- Intransparenz auch bei der Eingruppierung: Klarheit da-rüber, wer welches Gehalt bekommt und welche Bedingungen für das in Aussicht gestellte Gehalt erfüllt sein müssen, bekommen Quereinsteigende erst nach Abschluss des Vertrages. Nicht selten führen erst individuell geführte Klagen zu einer Höhergruppierung.
Mehrmals wurde Minister Tonne über diese Zustände informiert. An der Praxis geändert hat er bislang nichts.
Daher bleibt auch in diesem Kontext nur zu sagen:
Es reicht! – Nicht zu diesen Bedingungen!
Gemeinsam werden wir uns für bessere Bedingungen einsetzen und am 13. September auch für die Belange der Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger Gesicht zeigen.
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