Nach Überzeugung von vier Bildungsorganisationen müssen in Niedersachsen in diesem Schuljahr nahezu alle Prüfungen gestrichen werden. Landesschülerrat (LSR), Landeselternrat (LER), Schulleitungsverband (SLVN) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordern Kultusminister Grant Hendrik Tonne auf, an den allgemein bildenden Schulen sämtliche Prüfungstermine bis auf das Abitur sofort zu streichen. Bisher sei diese Chance auf Entlastung aller Betroffenen vertan worden. Der Kultusminister müsse seine Blockadehaltung aufgeben.
„Sich unter den aktuellen Bedingungen auf die Abschlussprüfungen der neunten oder zehnten Klasse vorzubereiten, überfordert viele Schülerinnen und Schüler. Zahlreiche Themen wurden noch nicht behandelt und müssen jetzt unter erschwerten Bedingungen durchgepeitscht werden. Auch ohne Prüfungen gibt es im Moment schon genug Probleme durch die Corona-Beschränkungen“,sagte der LSR-Vorsitzende Florian Reetz.
„Mit Wiederbeginn des Präsenzunterrichts erreichten uns Mitteilungen, dass dieser teilweise oder gar nicht umgesetzt werden kann, weil Lehrkräfte fehlen. Auch die digitale Ausstattung ist unzureichend. Unter diesen Umständen und in Anbetracht der Chancengleichheit sind Vorbereitung und Durchführung der Abschlussprüfungen äußerst fragwürdig. Dies entspricht aber keinem einheitlichen Meinungsbild aller Erziehungsberechtigten“, erläuterte die LER-Vorsitzende Cindy-Patricia Heine.
„Die Schulen haben derzeit umfangreiche Aufgaben für die räumliche und personelle Ausstattung der Klassen zu bewältigen. Unter diesen ohnehin erschwerten Bedingungen sind Prüfungen unsinnige Mehrbelastungen für alle Beteiligten. Das Argument der Befürworter der Abschlussprüfungen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Abschlüssen ist durch die vielfältigen regionalen Unterschiede ohnehin nicht gegeben“, kritisierte die SLVN-Vorsitzende Andrea Kunkel.
„Gewohnte Rituale dürfen die schulische Praxis nicht weiter erschweren. Schulbeschäftigten muss es möglich sein, Kindern und Jugendlichen bei der Bewältigung des Erlebten zu helfen. Überflüssige Prüfungen stören derzeit die pädagogische Arbeit. Hier muss der Kultusminister endlich seine Blockadehaltung beenden“, betonte die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth.
Noten sind nach Auffassung der vier Organisationen in den Schulen derzeit ohnehin nachrangig. Sie könnten bei Bedarf aus den bisherigen Leistungen des Schuljahres gebildet werden. Zudem sei es möglich, freiwillige Prüfungen für diejenigen anzubieten, die sich verbessern wollen.