In der Präambel der aktuellen Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU steht gleich auf der zweiten Seite:
„Die schulische Inklusion muss gelingen. Die allgemeine und die berufliche Bildung sind gleichwertig.“
Als bildungspolitisch interessierte Kollegin einer BBS in Niedersachsen denke ich dabei: „Aha – interessant!“ – und ein leichtes Unbehagen macht sich in meinem Bauch breit. Ich weiß aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, dass es ihnen ähnlich ergeht. Schon seit geraumer Zeit haben wir nicht das Gefühl, wirklich „gleichwertig“ von der Politik wahrgenommen und angemessen unterstützt zu werden.
Dies fängt mit„unserer“ Unterrichtsversorgung an, die fern ab von jedem Erstrebenswerten liegt. Und Inklusion? Ach ja, die gab es bei „uns“ an den BBSen ja schon immer. Schülerinnen und Schüler (SuS) aus Förderschulen oder SuS, die aus einer anderen Schulform ohne Schulabschluss hervorgehen, besuchen i.d.R. mindestens ein Jahr die Berufseinstiegsschule. Auch dort findet Inklusion statt. Wir haben also Erfahrungen mit Förderkonzepten und Förderbedarfen Einzelner. Aber reicht das aus, um uns schon als inklusive Schule zu betrachten? Benötigen wir daher keine Ressourcen für einen inklusiven Schulentwicklungsprozess?
Wir haben an den Berufsbildenden Systemen sowohl SuS in Vollzeitformen als auch Auszubildende in den Berufsausbildungen, die einen besonderen Förderbedarf benötigen. Schon allein hieran sieht man, dass die Inklusion an den BBSen eine derartige Vielfalt besitzt, dass diese mit normalen Ressourcen nicht zu bewältigen ist.
Wird unser Unterstützungsbedarf deshalb nicht gesehen – weil wir das immer schon gut gemacht haben? Geht man deshalb davon aus, dass die in Kurzmodulen fortgebildeten und installierten Inklusionsbeauftragten eine ausreichend unterstützende Maßnahme sind? Eine Lehrkraft pro Schule? Bei wie vielen Anrechnungsstunden? BBSen sind i.d.R. große Systeme. Nein, eine glaubwürdige Umsetzung der Inklusion benötigt da deutlich mehr.
Auch Niedersachsen ist verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem zu schaffen. Natürlich braucht ein solcher Prozess Zeit. Ein Schulgesetz ändert sich nicht mal eben so von jetzt auf gleich. Auch muss der rechtliche Rahmen für die Berufsbildung (BBiG und SGB) entsprechend weiterentwickelt werden. Konzepte sind nicht einfach nebenbei zu entwickeln und zu implementieren. Das ist jedem Beteiligten klar.
Aber gibt es denn überhaupt schon konkrete Konzepte, die sich mit Inklusion an BBSen beschäftigen? Gibt es genauere Planungen oder gar Erlasse? Man gewinnt den Eindruck, dass dieses Thema im MK einfach (noch) nicht bearbeitet wird.
Man scheint sich ausschließlich mit der zeitlichen Streckung des Auslaufens der Förderschulen Lernen und der Einrichtung von RZI (Regionale Beratungs- und Unterstützungszentren Inklusive Schule) zu beschäftigen.
Sicherlich ist es ein guter Schritt, mit mehr Personal und mehr Zeit in den Regionen „nachzusteuern, ohne vom Kurs abzuweichen“, wie es Kultusminister Grant Hendrik Tonne am 01.12.2017 in seiner Agenda im Kultusausschuss des Landtages darstellt. Und auch Stellen für Inklusionsfach-kräfte an den allgemeinen Schulen zu entfristen und weitere Stellen zu schaffen, hört sich zunächst vielversprechend an.
Aber wo bleiben die Berufsbildenden Schulen?
Die Gestaltung eines Übergangszeitraumes, wie es die aktuelle Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes für die weitere Umsetzung der Inklusion im Bereich der allgemeinen Schule durch die Landes-regierung vorsieht, bedeutet doch nicht, dass dadurch das Thema Inklusion die BBSen erst später erreicht und man sich daher (noch) nicht damit beschäftigen und Maßnahmen in die Wege leiten muss.
Wir sind auch heute schon mit Inklusionsschülerinnen und -schülern mit unterschiedlichen Förderbedarfen in der beruflichen Bildung konfrontiert, nicht erst im Jahre 2022. Und selbst wenn wir erst im Jahre 2022 damit konfrontiert wären, wäre es doch sinnvoll, uns auch heute schon darauf vorzubereiten und entsprechend fortzubilden.
Die bisherigen Angebote reichen nicht aus, zumal zu den inklusiven SuS auch die zu integrierenden Flüchtlinge zählen.
Schon früh hat sich die GEW mit diesem Thema und den Bedingungen für die BBSen beschäftigt. Auf dem Gewerkschaftstag 2013 wurde be-reits ein erster Antrag dazu formuliert und am 26. Juni 2015 hat der Hauptvorstand der GEW den Beschluss „Berufsbildende Schulen auf dem Weg zur Inklusion – GEW Positionen zu einer inklusiven beruflichen Bildung“ auf den Weg gebracht. Dieser Beschluss könnte einen richtigen Weg der Berufsbildenden Schulen zur Inklusion weisen.
„Könnte“ – wenn man sich auf den Weg machen würde.
Weitere Informationen zum Thema:
http://bit.ly/2F03dcn
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