Integration und Deutschunterricht für Flüchtlingskinder ja bitte – aber nicht auf dem Rücken der Schwächsten! Dies fordert der Arbeitskreis der Schulleitungen der Oldenburger Ober- und Förderschulen in einer aktuellen Stellungnahme. Mit gutem Grund: Zwar erkennen Wirtschaft und Politik inzwischen zunehmend Wert und Bedeutung gelungener Integration.
Doch den schulischen Kraftakt, tatsächlich immer mehr Flüchtlingskinder etwa aus Afghanistan, Syrien oder der Ukraine in das hiesige Schul- und Ausbildungssystem zu integrieren, leisten im allgemeinbildenden Bereich derzeit vor allem Förder-, Ober- und Gesamtschulen (Daten für den 5. Jahrgang siehe unten).
Sprachlernklassen an Gymnasien und Gesamtschulen wurden bereits im vergangenen Schuljahr geschlossen, weiß Sven Winkler, Sprecher des Arbeitskreises. Die Gymnasien nehmen seitdem nur noch Schüler*innen ohne Deutschkenntnisse auf, wenn absehbar ist, dass sie das Abitur erreichen. In den Gesamtschulen herrscht seither Aufnahmestopp für neu zugezogene Sprachschüler*innen. Für die weitaus meisten Flüchtlingskinder bleibt demnach also vor allem der Weg in die Oberschule. By the way, wir sprechen aktuell an dieser Schulform von einer landesweiten Unterrichts-versorgung von 93,1 %.
Dort aber stehen Lehrkräfte schon im Normalbetrieb vor ungleich kräftezehrenden Herausforderungen: Nicht nur müssen sie im binnendifferenzierten Unterricht ganz unterschiedlichen Leistungsniveaus innerhalb einer Lerngruppe gerecht werden.
In denselben Lerngruppen sollen sie nach Maßgabe der erwünschten Inklusion auch Kinder mit individuellem Förder-bedarf angemessen unterrichten.
„Der Anteil mit festgestelltem sonderpädagogischem Unter-stützungsbedarf [an den Oberschulen] liegt in den Jahrgängen 5 bis 10 bei ca. 18 % und ist in den unteren Jahrgängen erheblich höher. Im Vergleich mit den Integrierten Gesamtschulen
[ca. 10,5%] und Gymnasien [ca. 0,5%] ist der Anteil auffallend hoch.“ (siehe auch buergerinfo.oldenburg.de)
Dass derart geforderte Lehrkräfte darüber hinaus noch zugewanderte Schüler*innen in den Unterricht einbinden sollen, die die Unterrichtssprache kaum oder gar nicht beherrschen, ist eine nicht mehr hinnehmbare Belastung.
Damit nicht genug. Als Folge sehen die Schulleiter*innen Risiken heranwachsen, die weit über Schule und Ausbildung hinaus-reichen: Zugewanderte, deren Spracherwerb wegen mangelnder Förderung unzureichend ist, haben demnach vermehrt Probleme beim Übergang in Berufsausbildung oder weiterführende Schulen. Mangelnde Sprachkenntnisse führen in gesellschaftliche Abseits-positionen. Gesellschaftliche Teilhabe wird damit sozial, kulturell und wirtschaftlich immer schwieriger. Die gewünschte gelungene Integration, nach der etwa erfolgreich ausgebildete junge Menschen in ihrer Ausbildungsregion beruflich tätig werden und zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung beitragen, ist so nicht möglich.
An den betroffenen Schulen laufen zudem nicht nur Sprach-schüler*innen Gefahr, unzureichend gefördert zu werden. Durch die zusätzliche Arbeit bleibt Lehrkräften auch weniger Kraft und Zeit, erfolgreiches Lernen für Regelschüler*innen zu ermöglichen. Schlechtere Abschlüsse gehören damit auch für sie zu den Risiken des überlasteten Lehrbetriebs. Auch ihr Übergang in eine Aus-bildung oder weiterführende Schulen wird schwieriger.
„Die Chancenungleichheit für unsere Schülerinnen und Schüler verschlechtert sich weiter“, folgern die Schulleiter*innen. Tatsächlich zeigen die Erfahrungen an Oldenburger Oberschulen nach den Ausführungen des Arbeitskreises, dass Schülerinnen und Schüler dort ohnehin schon schlechtere Lernbedingungen durch ungünstigere soziale und wirtschaftliche Voraussetzungen haben. Auch deshalb sei der Anspruch an die pädagogische Arbeit hier weitaus höher als an anderen Schulformen.
Für die offenkundig so wichtige wie kräftezehrende Aufgabe nimmt die Politik ausgerechnet die Schulform in die Pflicht, die vermehrt von denen besucht wird, die bereits benachteiligt sind.
Die Integration geflüchteter Kinder und Jugendliche ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und darf nicht auf ohnehin bereits arg belasteten Schultern abgeladen werden.
Seitens der GEW unterstützen wir daher den mittlerweile umgesetzten Wunsch des Arbeitskreises, einen „Runden Tisch“ unter Beteiligung der Stadt, Vertreter*innen der Oberschulen Gesamtschulen und Gymnasien, der Dezernate 2 und 3 des Regionalen Landesamtes einzurichten, um die Situation für alle Beteiligten zu optimieren und Ungerechtigkeiten zu minimieren.
Auch in anderen Regionen wäre ein gemeinsames Herangehen an aktuelle Problematiken wünschenswert!
Quelle: Bericht „Schülerinnen- und Schülerstatistik/ Klassenstatistik der allgemeinbildenden Schulen: Schuljahr 2022/2023 – 5. Jahrgang – Stadt Oldenburg
Schulform Familiensprache | FöS | OBS | IGS | Gym | Summe |
Deutsch | 24 | 101 | 291 | 493 | 909 |
Sonstige | 3 | 35 | 32 | 41 | 111 |
Arabisch | 3 | 26 | 48 | 23 | 100 |
Kurdisch/ Kurmandschi | 5 | 60 | 17 | 12 | 94 |
Russisch | 1 | 9 | 12 | 15 | 37 |
Ukrainisch | 1 | 2 | 3 | 15 | 21 |
Summe Schüler*innen | 37 | 233 | 403 | 599 | 1272 |
davon nichtdeutsche Familiensprache | 13 | 132 | 112 | 106 | 363 |
Anteil nichtdeutsche Familensprache | 35,1 % | 56,7 % | 27,8 % | 17,7 % | 28,5 % |