Die Gymnasiale Oberstufe soll bis 2025 neu gestaltet werden
Für den Neugestaltungsprozess hat das verantwortliche Referat im MK eine Arbeitsgruppe (AG) eingerichtet, in der neben dem Schulhauptpersonalrat auch die GEW, die Verbände, die Elternvertretung, die Schüler*innenvertretung sowie Kolleg*innen aus der Praxis (Koordinator*innen bzw. Schulleiter*innen) eingeladen worden sind, aktiv an der Reform der Gymnasialen Oberstufe (GyO) in Niedersachsen mitzuarbeiten.
Auf Basis der neuen Rahmenbedingungen der KMK sowie einer umfassenden Zusammenfassung des gegenwärtigen Ist-Stands in den Bundesländern wurden in der AG Themen angegangen und diskutiert, wie z.B. die Anzahl der zu schreibenden Klausuren oder die Anzahl und Form der Prüfungsfächer.
Das Dilemma einer BildungsGEWERKSCHAFT
Der Aspekt Entlastung scheint ein Dilemma zu kreieren, da Vorzüge bzw. Entlastungen für die Schüler*innen nicht zwangsläufig auch zu Entlastung bei Kolleg*innen führen könnten. Das liegt u.a. an der Komplexität der GyO und der Entscheidung, wie der bundeseinheitliche KMK-Rahmen tatsächlich umgesetzt werden wird. Die Fachgruppe Gymnasium innerhalb der AG Oberstufenreform hat den Gestaltungsprozess begleitet und die folgende Position erarbeitet:
AG Oberstufenreform – Position der Fachgruppe Gymnasien
Die Novellierung der Oberstufenverordnungen folgt nach Formulierungen des Kultusministeriums dem Ziel, „das Abitur gleichzeitig modern aufzustellen und Freiräume für Schülerinnen und Schüler sowie Schulen zu eröffnen“. Dass Schulen bei der Gestaltung der gymnasialen Oberstufe Freiräume erhalten sollen, entspricht den GEW-Forderungen der betroffenen Fachgruppen, entstanden aus der Tagung „Spielräume – für eine mutige Sek II“.
Dieser pädagogisch begründete Wandel darf aber nicht zu Lasten der Kolleg*innen gehen!
Mit Blick auf die Arbeitszeitstudie wird deutlich, dass die Arbeitszeit in der gymnasialen Oberstufe besonders hoch ist. Die Senkung der Zahl der Klausuren ist ein erster Schritt zur Minderung dieser Belastung. Dass das Land Niedersachsen hingegen bei 5 Prüfungsfächern bleiben will, stellt weiterhin eine Belastung in der Prüfungsphase dar. Aus Sicht der Fachgruppe Gymnasien ist die Argumentation zwar nachvollziehbar, dass bei 4 Prüfungsfächern eine geringere Wahlmöglichkeit der Schüler*innen besteht – durch die Setzung der sog. „Kernfächer“ seitens der KMK. Auch die Umwandlung des vierten Prüfungsfaches in ein „mündliches“ Prüfungsformat scheint inhaltslogisch.
Damit aber trotz der fünf Prüfungsfächer die Belastung gesenkt werden kann, sind folgende Bedingungen aus Sicht der Fachgruppe maßgeblich:
- Das 4. Semester muss neugestaltet werden: In den Prüfungsfächern wiederholender Charakter, keine curricularen Themen, Klausur nicht im 4. Semester ODER ohne inhaltliche Bindung an das Semester (z.B. Anfang Februar), – alternativ: Q-Phase auf 3 Semester + 1 „Prüfungssemester“ ohne Klausuren (keine Wahl der Schule zur Lage der 4. Klausur)
- Eine der mündlichen Prüfungen wird vorgezogen (vor die Osterferien)
- Umgestaltung der Einführungsphase – Stärkere Vorbereitung auf mögliche Leistungskurse im 2. Halbjahr ermöglichen. (Modell aus Hessen prüfen)
- In der Prüfungsphase „Studientage“ als Regel für die übrigen Jahrgänge – Unterrichtsausfall + Betreuung zur Sicherung der Qualität der Prüfungen
- Ein echter „Korrekturtageerlass“ ohne Umverteilung der Arbeit auf die übrigen Kolleg*innen.
Auch Neuerungen dürfen nicht zulasten der Kolleg*innen gehen. Daher sind die folgenden Forderungen wichtig: Die Senkung der Anzahl der Klausuren in den nicht schriftlichen Prüfungsfächern ist auch aus pädagogischer Sicht geboten, zumal dadurch die Zeit für vertieftes Arbeiten und neue, zukunftsorientierte Unterrichts- und Prüfungsformate gewonnen wird. Die Entwicklung dieser neuen Formate muss aber auch so gestaltet werden, dass sie nicht zu neuen Arbeitsbelastungen führt. Auch da sich die Art der Leistungsnachweise (= Benotung) in den Nicht-Prüfungsfächern ändert, müssen Zeiten für die Schulentwicklung gewährt werden, z.B. durch zusätzliche SchiLF während der Unterrichtszeit.
Der „Komplexe Leistungsnachweis“ (KLN), der anteilig Klausuren ersetzen soll, darf nicht als Entlastung gewertet werden, sondern entspricht auch im Arbeitsaufwand einer Klausur. Als neue Bewertungsform sollte sie nicht zu hoch gehängt werden (Negativbeispiel Sachsen), sonst führt sie sogar zu Mehrbelastung. Vorbild sollten die „authentischen Leistungen“ im Sinne des Deeper Learning nach Anne Sliwka sein. Die Entscheidung über die Lage und Ausgestaltung der KLN muss in den Fachkonferenzen getroffen werden. Der Umgang mit KI muss in dem Bereich klar durch das Kultusministerium geregelt werden. Das Kultusministerium will Handreichungen und Schulungen zu KLN sowie zur Bewertung der sonstigen Mitarbeit zur Verfügung stellen – das ist auch notwendig.
Das Seminarfach soll nicht „entfallen“, sondern wird durch die Möglichkeiten der „Ergänzungsfächer“ ersetzt! Denn die Schulen haben zum Teil sehr gute Konzepte entwickelt, die sich bewährt haben. Dass die Facharbeit entfällt, ist gut. Der Anspruch der Integration der Wissenschaftspropädeutik in den Fachunterricht auch. Schulen sollten aber die Ergänzungsfächer auch entsprechend gestalten (müssen) und nicht dem Curriculum bestimmte Fächer ausweiten (und nicht den eN Stoff wiederholen). Hier braucht es eine konkrete Regelung, die die Anbindung der Ergänzungsfächer an bestehende fachcurriculare Inhalte unterbindet.
(Anne Kilian für die FG Gymnasien, 01.09.2024)