Als im Schuljahr 2011/2012 die ersten Oberschulen gestartet sind, waren die Erwartungen sehr unterschiedlich.
Die Schulträger z.B. hatten gehofft, flexibel auf die prognostizierten Rückgänge der Schüler*innen reagieren zu können, denn deshalb hatte der damalige Kultusminister Bernd Althusman die Schulform u.a. eingeführt. Die Erwartungen in den Kollegien waren vielerorts gedämpft, denn wie der gemeinsame Unterricht von Schüler*innen aus Haupt-, Real-, Förderschulen und Gymnasien in der Praxis unter den gegebenen Bedingungen gelingen sollte, war unklar.
Auch die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, die es für eine Oberschule nach dem Erlass „Die Arbeit in der Oberschule“ gibt, wurden nicht von allen positiv bewertet. Für alle, die sich in der Oberschule nicht so gut auskennen, hier einige Beispiele für die unterschiedliche Gestaltung dieser Schulform:
Eine Oberschule kann einen gymnasialen Zweig haben oder auch nicht. Sie kann noch mit einer Grundschule zu einer GOBS verbunden sein oder auch nicht. Sie kann aus einer HRS oder einer KGS hervorgegangen oder auch neugegründet worden sein. An einer Oberschule kann jahrgangsbezogen oder schulzweigbezogen (also wieder gegliedert nach HS und RS) unterrichtet werden. Die Differenzierung an einer Oberschule kann durch eine äußere Differenzierung in Fachleistungskursen erfolgen, eingerichtet werden können G-Kurse, E-Kurse und Z-Kurse (an OBS mit gymnasialem Zweig).
Die Differenzierung kann aber auch klassenintern erfolgen, mit Beschluss des Schulvorstandes bis Klasse 8. Die Differenzierung in Mathe und Englisch kann in Klasse 5 und 6 oder auch erst ab Klasse 6 oder natürlich auch insgesamt schulzweigbezogen erfolgen. Die Möglichkeiten sind also mehr als vielfältig. Hinzu kommen dann noch die unterschiedlichsten Möglichkeiten der Differenzierung in Deutsch und in Naturwissenschaften. Wer im Erlass weiterliest, findet dann die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten für den Bereich Berufsorientierung und Profilbildung. Eine große Zahl der Oberschulen sind Ganztagsschulen, viele davon teilgebunden, daher gibt es in vielen Oberschulen eine neue Rhythmisierung. 75 oder 80 Minutenstunden sind dabei keine Seltenheit. Die „eingesparten“ Minuten werden dann oft als „selbstständige Arbeitszeit“ oder „eigenverantwortliche Arbeitszeit“ genutzt.
Als Klassenlehrkraft an einer Oberschule steht man ebenfalls vor einigen Herausforderungen. Während man an den Haupt- und Realschulen als Klassenlehrkraft meistens mit den Hauptfächern in den Klassen eingesetzt war, sind es jetzt die „Nebenfächer“, die für eine Klassenlehrerschaft besser geeignet sind. Gerade in Oberschulen, die schon früh mit der äußeren Differenzierung beginnen, werden die Schüler*innen nur noch in den „Kurzfächern“ im Klassenverband unterrichtet. An den Hauptschulen galt und gilt oftmals das Prinzip, dass die Klassenlehrkraft möglichst viele Stunden in der eigenen Klasse unterrichtet, damit die Schüler*innen eine Bezugsperson haben.
An den Oberschulen soll die Klassenlehrkraft laut Erlass mindestens sechs Stunden in der eigenen Klasse erteilen, allerdings kann bei fachleistungsdifferenziertem Unterricht davon abgewichen werden. Sechs Stunden oder weniger bei der Klassenlehrkraft, das ist für die meisten Schüler*innen, die eine Oberschule besuchen, zu wenig.
Das Thema Inklusion geht auch an den Oberschulen nicht vorbei. Neben dem gemeinsamen Unterricht von Kindern mit Empfehlungen für eine Hauptschule, Realschule oder ein Gymnasium kommen natürlich auch noch die Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, Fluchterfahrung, Migrationshintergrund und die Schüler*innen, die noch nicht überprüft worden sind, hinzu.
Das ist sicherlich an fast allen Schulformen identisch. Die Forderung nach mehr Unterstützung für die Lehrkräfte ist daher nicht verwunderlich.
Multiprofessionelle Teams müssten für alle Schulen eine Selbstverständlichkeit sein. Um mit den Herausforderungen auch an den Oberschulen fertig werden zu können, brauchen wir mehr Förderschullehrkräfte, mehr Schulsozialarbeiter*innen, kleinere Klassen, mehr Zeit für die einzelnen Schüler*innen, mehr sonderpädagogisches Personal, mehr Zeit für Teambesprechungen und Elternarbeit, mehr …
Die Motivation der Kolleginnen und Kollegen an den Oberschulen ist groß, die Belastungen und die Herausforderungen auch. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist daher unumgänglich.
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