Die Kunst, verlässlich und flexibel zu sein!
Jutta Anton
Ich arbeite seit fast 18 Jahren an derselben Oberschule, wobei ich in die Hauptschule eingestiegen bin und die Transformation von Hauptschule über Haupt- und Realschule zur Oberschule aktiv in der Steuerungs-AG mitgestaltet habe. Auch die Entwicklung von der sogenannten Halbtagsschule zur teilgebundenen Ganztagsschule habe ich in diesem Gremium begleitet.
Warum benenne ich diesen Weg so ausdrücklich für das Handlungsfeld Schulsozialarbeit? Ich möchte verdeutlichen, dass auch die Tätigkeit in der Schulentwicklung ein wichtiger Bereich der Schulsozialarbeit ist. Denn wenn man multiprofessionelles Arbeiten in der Schule ernst meint, dann müssen entsprechende – neu einzurichtende – Strukturen in Schule und Behörde Berücksichtigung finden.
An meiner Schule sind ca. 500 Schüler*innen, ca. 60 Lehrkräfte, 20 Schulbegleiter*innen, zwei Sekretärinnen, ein Hausmeisterteam und für wenige Stunden ein Schulassistent.
Und ich mit einer Vollzeitstelle Schulsozialarbeit.
Ein Blick über meine Schulter in einen ganz normalen Tag an einer ganz normalen Oberschule:
Um 7.30 Uhr betrete ich die Schule.
7.45 Uhr: Ich biete den Teeclub seit mehreren Jahren als offenes Angebot vor der 1. Stunde in einem Klassenraum an. Neben dem Teegenuss dient der Teeclub in erster Linie als niedrigschwelliges Angebot für die Kinder, um krisenfrei in Kontakt mit mir zu kommen.
8.30 Uhr: Alle Schulsozialarbeitende unserer Region treffen sich in einer Schule, die jeweils wechselt, zum Netzwerktreffen. Diese finden alle 6-8 Wochen statt. Bei den Netzwerktreffen tauschen wir uns aus und laden schulexterne Expert*innen aus der Region ein. Dies können Mitarbeitende des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), die Fachberatung Schulabsentismus, Mitarbeitende des Kinderschutzzentrums, Mitarbeitende der Migrationsberatungsstelle u.v.a. mehr sein. Sie stellen ihre Angebote vor und diskutieren mit uns verschiedene Sachverhalte.
11.00 Uhr: Kurzfristig einberufenes Gespräch mit der Schulleitung. Es gab am Tag zuvor eine körperliche Auseinandersetzung zwischen zwei Schüler*innen. Nachdem die erste Intervention durch die Schulleitung und Klassenlehrkräfte erfolgte, ist es üblich, dass ich mit der Schulleitung gemein-sam überlege, was weiterhin notwendig erscheint, um die Situation zwischen den beteiligten Personen zu klären und welche Maßnahmen ggf. auch für die Gruppe oder Klasse sinnvoll erscheinen. Dann muss es wieder eine Rückkopplung mit den Klassenlehrkräften geben, damit alle auf demselben Kenntnisstand sind.
11.40 Uhr: Beratung in der Pause. Person 1 kommt regelmäßig in die Beratung. Wir haben bereits beraten, ob sie mit dem ASD in Kontakt kommen möchte. Sie ist nun bereit einen nächsten Schritt zu machen, und ich werde beim ASD einen Termin für sie vereinbaren.
12.00 Uhr: Konfliktklärung Mädchengruppe. Fünf Mädchen kommen in einen freien Klassenraum (einen Raum für Gruppengespräche habe ich leider nicht), um mit mir als Mediatorin einen Konflikt untereinander zu klären. Dieser Konflikt schwelt schon länger und die Klassenlehrkraft sowie die Mädchen haben um einen Termin gebeten. Die Mädchen kennen mich, da ich am Anfang des Schuljahres in der Klasse ein Angebot zur Förderung des Klassenklimas durchgeführt habe. Die Gruppenmediation kann nur innerhalb der Unterrichtszeit stattfinden, da die Auseinandersetzung mit mehreren Personen Zeit braucht und ggf. auch mehrere Termine beinhaltet.
13.30 Uhr: In der Mittagspause kommen Person 2 und andere aus der SV, um den Ablauf der SV-Sitzung zu besprechen. Außerdem gibt es wichtige Neuigkeiten.
13.50 Uhr: In der zweiten Hälfte der Pause kommt Person 3 zu mir ins Büro, eine Lehrkraft, um mit mir über die Situation eines Schülers in ihrer Klasse zu sprechen und meine sozial-pädagogische Einschätzung zu hören.
14.15 Uhr: Das Wahlpflichtmodul (WPM) „Streitschlichtung“ ist die Ausbildung zur/m Schülerstreitschlichter*in. Eine kleine Gruppe von Interessierten lernt den Umgang mit Konflikten und Gefühlen sowie die Gesprächsführung in der Mediation. Sie schließen mit der Prüfung zur/m Streitschlichter*in ab. Zusammen mit einer Lehrkraft habe ich eine Zusatzausbildung zur Schulmediatorin gemacht und gemeinsam bilden wir seitdem Schülerstreitschlichter*innen aus. Die ehrenamtlichen Streitschlichter*innen begleite ich dann weiterhin.
15.45 Uhr: Nach dem WPM erreiche ich die zuständige Person im ASD telefonisch und bespreche das weitere Vorgehen im Fall von Person 1. Danach schreibe ich Person 1 eine Nachricht und vereinbare mit ihr die weiteren Schritte.
Um 16.30 Uhr verlasse ich die Schule.
Persönliches Zeitmanagement und Ressourcenplanung
Zwischendurch habe ich noch meine Emails bearbeitet, die Gespräche und Vereinbarungen dokumentiert, meine Gruppenangebote vor- und nachbereitet, neue Termine vereinbart und beim Gehen durch das Schulgebäude diverse Impulse in kurzen Gesprächen mit den Kindern und Jugend-lichen gesetzt. Das sind dann Fragen während der Unterrichts-zeit wie „Geht es dir gut? Warum bist du nicht im Unterricht?“ oder während der Pause „Wie geht´s dir? Schön dich zu sehen! Wenn du was auf dem Herzen hast, komme gerne bei mir vorbei und wir gucken nach einem Termin!“
Multiprofessionelles Arbeiten ohne Teamstrukturen ist schwierig und mit einem hohen persönlichen Aufwand verbunden. Strukturen in Schule, die Zeitfenster für Teamstrukturen mit Beteiligung der Schulsozialarbeit beinhalten, würden hier einiges vereinfachen. Zudem ist es nötig, ein Team von Schulsozialarbeitenden an einer Schule zu haben, um allen Anfragen und Bedürfnissen gerecht werden zu können!
Denn: Arbeitsdichte und Qualität der Herausforderungen nehmen zu! Beratung und Konfliktklärung ist auf Kommunikation ausgerichtet. Dazu muss es eine gemeinsame Sprache geben. Ich kann lediglich als zweite Sprache Englisch und damit kann ich leider nicht viel bewirken. Ich stehe vor der Heraus-forderung, eine gemeinsame Sprache zu finden. Sei es nun, dass ich technische Hilfsmittel nutze oder geplante Gespräche mit Sprachmittler*innen führe, aber ohne Unterstützung komme ich mit meinem sozialpädagogischen Angebot nicht weiter. Hier braucht es mehr Ressourcen in Schulen. Die Problemlagen aller Kinder und Jugendlichen sind so vielfältig, dass wir mehr Zeit für Zuhören und Gespräche haben müssen.
Als GEWlerin kämpfe ich aktiv für Verbesserungen in der Schulsozialarbeit!