Der Umgang mit dem Virus verlangt uns allen einen Spagat zwischen Gesundheitsschutz und Chancengerechtigkeit ab. In diesem Artikel blicken wir durch die Brille der Gesamtschulen…
Mit dem Prüfungsstart in der letzten Woche ist der Drops gelutscht: Niedersachsen wird nicht auf die mittleren Schulabschlussprüfungen verzichten.
Eigentlich war das allen klar, als die Regelung veröffentlicht wurde, dass Schüler*innen in Jg. 9 und 10 selbst entscheiden, ob sie die mündlichen Prüfungen ablegen. Was wahrscheinlich als Entgegenkommen und Kompromiss gedacht war, ist nur in einzelnen Fällen eine wirkliche Erleichterung für die Schüler*innen und die Schulen. Die Lehrkräfte selbst haben in der Regel die Prüfungsaufgaben schon fertig und müssen nun die Schüler*innen individuell beraten, ob sich das Ablegen der mündlichen Prüfung für sie lohnt oder nicht.
Dieses Beispiel macht eines der grundsätzlichen Probleme deutlich, die wir derzeit in den politischen Interventionen erleben: Die Entscheidungen sind nicht konsequent und leugnen, dass wir uns in einer absoluten Ausnahmesituation befinden. Das hat zur Folge, dass die Maßnahmen nicht bis zu Ende und auch nicht von den Betroffenen aus gedacht, sondern an dem Versuch eines Normalzustandes gemessen werden. Das führt zu Doppelbelastungen, Unklarheiten und Rechtsunsicherheiten und stellt den Anspruch auf Chancengerechtigkeit komplett in Frage.
Wir wollen uns nicht über die Politiker*innen erheben und so tun, als sei die politische Herausforderung eine leichte. Man muss aber festhalten: Wir haben es Euch gesagt. Schulleitungsverband, GGG und nicht zuletzt die GEW haben immer wieder eingefordert, Druck aus dem System zu nehmen und Prüfungen abzusagen, um den Schulen den organisato-rischen Freiraum zu geben, Präsenzen und Beschulung abhängig von pädagogischen Bedürfnissen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen zu gestalten. Der Kultusminister selbst versichert immer wieder in seinen Pressemitteilungen und Briefen, dass kein Anspruch auf regulären Unterricht besteht. Ohne Erlasse, die diese Absicht konsequent und für alle Jahrgänge widerspiegeln, verkommt sie jedoch zur Worthülse und geht zu Lasten von Arbeits- und Gesundheitsschutz; insbesondere dort, wo viele Herausforderungen aufeinander-
treffen – wie z.B. an unseren Gesamtschulen.
Die Herausforderungen, die uns in diesem Schuljahr noch bevorstehen und im folgenden Schulhalbjahr wahrscheinlich noch auf uns zukommen werden, sind so nicht länger zu tragen. Wir wollen die Schüler*innen begleiten, wir wollen Präsenzen in Schule möglich machen, wir wollen das Recht auf Bildung sicherstellen und Gesundheitsschutz garantieren … wir wollen aber auch, dass sich das Ministerium schützend vor seine Beschäftigten stellt und zuhört! Diejenigen, die entscheiden, sollen hinschauen und sehen, was derzeit von Schulleitungen und Beschäftigten an Schulen dauerhaft geleistet wird! Und Arbeits- und Gesundheitsschutz darf nicht auf Hygienemaßnahmen reduziert werden.
Was bedeutet das konkret?
- Auf jede Form der Leistungsüberprüfungen verzichten – auch auf die Ersatzleistungen in der Sek II.
- Anforderungen für die Abiturprüfungen im nächsten Jahr und die kommenden Abschlussprüfungen in 9 und 10 sofort reduzieren.
- Auf ein Doppelbeschulungssystem bei Präsenzunterricht verzichten und realistische Ansprüche an Schüler*innen,
Eltern und Kolleg*innen stellen. - Das Schuljahr für alle formal beenden, ohne einen Nachteil für Schüler*innen – also kein Sitzenbleiben und kein Abschulen, um Rechtssicherheit zu bieten und Organisations-strukturen nicht durch zusätzliche Reorganisationen zu belasten. Die Schulen können dann in der bis zum Start der Sommerferien verbleibenden Zeit den Bedürfnissen der Schüler*innen besser gerecht werden und in der Schule entsprechend auffangen.
- Schule als Ort des miteinander Lernens trotz Abstands-regelungen stärken.
- Arbeits- und Gesundheitsschutz konsequent an erste Stelle setzen.
Was versprechen wir uns davon?
Wir hoffen, dass Schule damit die Möglichkeit erhält den Belangen der einzelnen Schüler*innen besser gerecht zu werden und dabei die Arbeitsbedingungen und die durch die Corona-Pandemie produzierten Bedarfe, Probleme und Ängste
gleichermaßen im Blick zu behalten. Darüber hinaus versprechen wir uns Luft, um gemeinsam zu überlegen und zu planen, wie es im nächsten Schulhalbjahr sinnvoll weitergehen kann.
Wir wollen keine Drops-Politik mehr! Miteinander zu reden, einander zuzuhören und zu verstehen sollte den politischen Entscheidungen vorausgehen. Die Zeit der Ad-hoc- Entscheidungen, die kaum Zeit zum Atmen ließ und sicher auch den Kultusminister und die Ministerialbeamt*innen viel Kraft gekostet hat, muss vorbei sein. Wir fordern eine Korrektur des politischen Kurses!
Wenn Ihr Unterstützung braucht, Fragen oder Anregungen habt, meldet Euch bei uns:
Anja Meßmann – 0173-5200966 // 0541-77046 366
Karin Maanen – 01590-1009675 // 0541-77046 452
Christian Philipp Storm – 0176-61215331 // 0541- 77046 183
Text: Landesfachgruppe Gesamtschulen