– Über den Berufskollegtag am 10. Mai 2016 in Marl (NRW) –
Die Einladung des Werkstattlehrers und SBPR-Kollegen Andreas Hohrath zur Teilnahme am Berufskollegtag in Marl nahmen Stephan Klaassen und ich gerne und voller Neugier an.
Unsere AG Fachpraxislehrkräfte stellte den Kontakt zu Andreas vor ungefähr drei Jahren her, als wir uns entschlossen hatten, ein Netzwerk mit Fachpraxislehrkräften inner- und außerhalb von Niedersachsen aufzubauen. Wir wollten erfahren, welche Besoldung, Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und welche Arbeits- und Rahmenbedingungen in den anderen Bundesländern gelten.
Nach dem Austausch etlicher E-Mails konnten wir uns nun direkt mit den Kolleglnnen aus NRW treffen und uns die Situation und die Forderungen der Werkstattlehrkräfte erklären lassen.
Beim Berufskollegtag wollten wir Ansgar Klinger persönlich treffen, der Leiter des Organisationsbereiches Berufliche Bildung und Weiterbildung für die GEW in Frankfurt ist und als Referent beim Berufskollegtag vorgesehen war. Er wäre also unser Hauptansprechpartner für das Vorbereiten einer Bundesfachtagung für Fachpraxislehrkräfte gewesen. Da Kollege Klinger dienstlich verhindert war, konnte er nicht an der Tagung teilnehmen, so dass wir ihn leider nicht trafen.
Erste Kontakte zu anderen Teilnehmern knüpften wir beim Stehkaffee. Wir lernten nun Andreas Hohrath persönlich kennen und auch den Kollegen Gerd-Peter Kleindienst-Bruckschen, der sich, obwohl im Ruhestand, immer noch sehr aktiv für die Sache der Werkstattlehrkräfte einsetzt.
Gerd-Peter war Mitinitiator einer Bundesfachtagung für Fachpraxis in den 2000er Jahren, nach einigen Fortsetzungen schlief diese Veranstaltung jedoch wieder ein. Gerd-Peter riet uns, allgemeine Themen für eine Bundesfachtagung zu benennen, welche auch bundeslandübergreifend von Interesse sind und nicht allein die Besoldungsmisere der praktischen Lehrkräften behandeln.
Nach Grußworten des gastgebenden Schulleiters referierte Rainer Schmelzer, NRW-Minister für Arbeit, Integration und Soziales, über die Zukunft der dualen Ausbildung in NRW. Besonderen Stellenwert bekam hier das Landesvorhaben KAoA („Kein Abschluss ohne Anschluss“). KAoA richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 8 bis 10, die den direkten Übergang in eine Ausbildung anstreben und zusätzliche Unterstützung benötigen. Die Schülerinnen und Schüler sollen in dieser Zeit ihre Stärken und Talente kennenlernen und in drei Berufsfeldern jeweils ein Praktikum absolvieren können. Im Anschluss sollen sie bei der Berufswahl konkret unterstützt werden.
Danach begrüßte Andreas Meyer-Lauber, der DGB-Vorsitzende in NRW, die Besucher des Berufskollegtages. Er betonte die Forderung des DGB, dass in NRW jeder Jugendliche eine Ausbildungsstelle erhalten müsse.
Dorothea Schäfer, mit 92,3 % frisch im Amt bestätigte GEW-Vorsitzende von NRW, sprach über die Rolle des Berufskollegs in der Bildungslandschaft NRW. Sie verlangte u.a. eine höhere Eingruppierung für Werkstattlehrkräfte, speziell für jene, die Theorieunterricht erteilen. Im übrigen sei solcher unterrichtlicher Einsatz von Werkstattlehrkräften illegal, das wurde auch von vielen Teilnehmern thematisiert. Zuständig für eine Weiterqualifizierung von Werkstattlehrkräften sei jedoch ausschließlich das Bildungsministerium, das hier die Weichen politisch stellen müsse. Die Tarifgemeinschaft der Länder müsse über die Situation der Werkstattlehrkräfte beraten, betonte die GEW-Vorsitzende. Dafür setze sie sich ein.
Hauptreferentin der Fachtagung war Dr. Daniela Ahrends (Universität Bremen) zum Thema „Ausbildung und Arbeit 4.0 – Die Zukunft der beruflichen Bildung und die Herausforderung der Digitalisierung“.
Dabei geht um das Zusammenspiel der Faktoren Organisation-Technik-Arbeit, die sich alle gegenseitig beeinflussen. In diesem Zusammenhang spricht man von Smart Factory und Cyber-Psychischen-Systemen.
Bezogen auf unsere berufliche Situation heißt das: Lehrkräfte 4.0 – Den Unterricht, gehalten von einer Lehrkraft für eine Schülerlnnengruppe, wird es so nicht mehr geben. Alle Fachbereiche werden, wenn auch in unterschiedlicher Auswirkung, von massiven Umbrüchen betroffen sein.
Nach einer Mittagspause gingen wir in die Foren. Stephan und ich hatten uns für das Forum „WerkstattlehrerInnen“ angemeldet (Referenten Andreas Hohrath u. Klaus Grosinski).
Schnell wurde uns klar, dass die Kolleglnnen in NRW ähnliche Forderungen stellen und mit den gleichen Problemen kämpfen wie wir in Niedersachsen:
- Vergabe von Kettenverträgen ohne feste Anstellungsaussichten
- Abschaffung/Verlegung von Fachbereichen ohne adäquate Einsatzperspektive für die Werkstattlehrkräfte
- Innerhalb des Berufskollegs ungleiche Besoldung bei gleichwertiger Arbeit
- Theorieunterricht von Werkstattlehrkräften ist illegal, wird aber verlangt
- Keine Weiterqualifizierungsmöglichkeiten für Werkstattlehrkräfte
- Fordern gleicher Pflichtstundenzahl von 25,5 Unterrichtsstunden wie bei den Theorielehrkräften
Das Forum schloss ab mit einem Austausch über die Themen, die bei einer künftigen Bundesfachtagung auf die Tagesordnung gehören müssten. Als Schwerpunkt gehört unbedingt dazu eine bundeseinheitliche Regelung der (Weiter)Qualifizierung, die auch das Erreichen einer höheren Besoldung ermöglicht. Zunächst und sehr bald sollten aber möglichst umfassend Fakten zur Ist-Situation der Fachpraxislehrkräfte gesammelt und zwecks gegenseitiger Information ausgetauscht werden.
Da der persönliche Kontakt zum Kollegen Klinger nicht möglich war (s.o.), beauftragten wir die Delegierten aus unseren Bundesländern (für NDS: Britta Delique u. Detlef Duwe) damit, auf der nächsten BFGA-Sitzung am 10./11.06.2016 unser Anliegen vorzubringen – möglichst mit positivem Ergebnis. Wir sind gespannt auf den Bericht der beiden.
Fazit:
Beeindruckend ist die (öffentliche) Beteiligung der Werkstattlehrkräfte in der GEW.
Bei allen Fragerunden der Fachtagung wiesen die Werkstattlehrkräfte auf ihre berufliche Situation hin und verlangten mit Nachdruck Verbesserungen. Dieses wurde seitens des DGB, der Politik und der GEW positiv aufgenommen und auch in den Medien veröffentlicht.
Was bedeutet das für unsere AG Fachpraxislehrkräfte in Niedersachsen?
Auf dem Nachhauseweg konnten Stephan und ich ein Resümee der Tagung ziehen. Wir hatten über viele Punkte beraten, die zu verbesserter Öffentlichkeitsarbeit führen sollen und auch Ziele formuliert:
- Nutzung einer Moodle Platform
- Teilnahme und Präsenz der Fachpraxislehrkräfte am niedersächsischen Berufsschultag (evtl. ein eigenes Forum anbieten?)
- Intensiv an den BBSen für unsere Forderungen werben und sie verständlich machen
- zahlenmäßig stärkere Präsenz von uns Fachpraxislehrkräften bei GEW-Tagungen vor Ort, um persönlich unsere spezielle Situation darzulegen
- Durch Anträge unsere Forderungen auf GEW-Landesebene publik machen und gewerkschaftliche Unterstützung dafür gewinnen
- Initiativen voranbringen für eine Wiederbelebung der Bundesfachtagung (Ziel: Austausch fortsetzen, überfällige Verbesserungen für Fachpraxislehrkräfte öffentlichkeitswirksam einfordern)
- Tarifgemeinschaft der Länder muss sich endlich mit unseren Forderungen befassen
Sonja Weiß
Bildquellen: Sonja Weiß, Andreas Hohrath, Gerd-Peter Kleindienst-Bruckschen
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