Expertise untermauert GEW-Arbeitszeitstudie

Kultusministerium muss jetzt neue Arbeitszeitverordnung in Gang bringen

Die Expertise „Zeiterfassungsstudien zur Arbeitszeit von Lehrkräften in Deutschland“, die das Team der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Georg-August-Universität Göttingen erarbeitet hat, untermauert die Ergebnisse von der GEW-Niedersachsen in Auftrag gegebenen Arbeitszeitstudien und der Arbeitsbelastungsstudie.

Ende Januar 2018 haben die GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe und die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth sowie der Leiter der Kooperationsstelle Dr. Frank Mußmann und der Forscher Dr. Thomas Hardwig die Expertise, die die Max-Träger-Stiftung in Auftrag gegeben hatte, in Hannover vorgestellt.

Der Zeitpunkt der Vorstellung ist gut gewählt, denn jetzt ist es an der Zeit, dass der neue Kultusminister Grant Hendrik Tonne den Ball aufnimmt, den ihm die Arbeitszeitkommission, die von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt eingesetzt wurde, mit ihrem Sachstandsbericht vom November 2017 zugespielt hat. Darin sind erste Vorschläge für eine neue Arbeits-zeitverordnung enthalten. Die Expertise bestätigt: Der Dienstherr Land Niedersachsen verfügt über das Wissen, das erforderlich ist, um die Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte neu festzusetzen, wie es das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg in seinem Beschluss zur Rechtswidrigkeit der Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung der Gymnasiallehrkräfte im Jahr 2015 gefordert hat.

Die Expertise hat alle relevanten Untersuchungen zur Arbeitszeit der Lehrkräfte seit Ende der 1950er Jahre in Deutschland analysiert. Insgesamt zwanzig Studien wurden mit den vom Team der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften vorgelegten Studien – Pilotstudie Arbeitszeiten und Arbeitsverteilung von Lehrerinnen und Lehrern an der Tell-kampfschule Hannover (2014), die Niedersächsische Arbeits-zeitstudie 2015 / 2016 (2016) und die Niedersächsische Arbeitsbelastungsstudie (2017) verglichen.

Die Befunde aus Niedersachsen liegen im Trend der Studien und zeigen,

1. „dass die IST-Arbeitszeit von Lehrkräften in 18 der 19 bundesdeutschen Studien die SOLLArbeitszeit im Öffentlichen Dienst überschreitet. Die Überschreitung beträgt in zehn Studien mehr als 10 % der SOLL Jahresarbeitszeit im Öffentlichen Dienst, in sechs Studien liegt sie darunter. In zwei Studien liegen keine Ergebnisse für die Jahresarbeitszeit vor.“ (Expertise S. 59)

2. „dass zwischen den Studien nur geringe Differenzen 
zwischen den Ergebnissen von weniger als 10 % zu verzeichnen sind. Das ist erstaunlich angesichts der Tatsache, dass die Studien methodisch durchaus unterschiedlich vorgegangen sind.“ (Expertise S. 62)

3. dass die Schulform bezogenen Ergebnisse in den zehn Studien mit Aussagen zu Grundschulen (bzw. Volksschule), sechs zu Gesamtschulen und zehn zu Gymnasien ebenfalls sehr ähnlich beurteilt werden. (Expertise S. 63)

4. dass sich die Schulformunterschiede – trotz unterschiedlicher Regelstundenvorgaben – in jüngster Zeit zu nivellieren scheinen: „Die Grundschulen liegen in neun von zehn Fällen unter den Werten von Gesamtschulen bzw. Gymnasien. Die Arbeitszeiten an Grundschulen liegen in den 50er / 60er Jahren deutlich unter den SOLL-Zeiten des Öffentlichen 
Dienstes, dann auf ähnlichem Niveau, haben sich aber offenbar in den letzten Jahren an die SOLL-Zeiten angenähert bzw. sie zuletzt ebenfalls überschritten. Lehrkräfte an Gesamtschulen haben in vier der sechs Studien eine kürzere Arbeitszeit als die an Gymnasien, nur in den beiden großen Arbeitgeberstudien (Knight Wegenstein AG 1973a; Mummert + Partner 1999a) war dies anders. Lehrkräfte an Gymnasien haben also fast immer die längste Jahresarbeitszeit von mindestens 1.900 Stunden zu verzeichnen.“ (Expertise S. 64)

5. dass die Arbeit der Lehrkräfte entgrenzt ist. Arbeit am späten Abend, nachts, an Wochenenden und in den Ferien wird geleistet. Schon in der ältesten Studie (Rutenfranz / Graf 1963) wurde festgestellt, dass „dies unter Gesundheitsaspekten und psychischen Beanspruchungswirkungen aufgrund fehlender Erholzeiten problematisch ist.“ (Expertise S. 65)

6. dass eine sehr große individuelle Streuung zwischen Lehrkräften gleicher Schulformen“ besteht. (Expertise S. 67) Eine Entlastung der Lehrkräfte mit besonders hoher Arbeitszeitbelastung wird seit Jahrzehnten diskutiert.

7. dass sich die Tätigkeitsstruktur in allen Schulformen langfristig so entwickelt, dass der Anteil des Unterrichts abnimmt und die übrigen Tätigkeiten z.B. für erzieherische Aufgaben oder Mitwirkung in den Schule zunehmen, ohne dass allerdings die Unterrichtsverpflichtung entsprechend reduziert wurde. Diese Entwicklung begann in Gymnasien und Gesamtschulen, sie vollzieht sich in den letzten Jahrzehnten auch in den Grundschulen.

Übrigens: Auch die Ergebnisse der Online-Befragung des Philologenverbands zur Arbeitszeit an Gymnasien werden nach aller Voraussicht im Trend liegen, den die Expertise zeigt.

Die Studie kann hier geladen werden.

Weitere Informationen zum Thema: 
http://bit.ly/2jG0dvF

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