Halbwertszeiten

Die Corona-Pandemie lehrt uns gerade eine ganze Menge. Darunter auch, dass man einen Artikel zu diesem Thema möglichst ganz kurz vor dem Veröffentlichungstermin schreiben sollte. Zu groß ist die Gefahr, dass die vermeintlich neuen Informationen schon wieder veraltet sind. Wir erinnern uns: Anfang Dezember hieß es noch, dass auf keinen Fall die Weihnachtsferien eher beginnen würden. Im Januar sollten die meisten Schulen mit dem Szenario B starten. 

Pustekuchen.

Die bundesweit fragile Lage macht sich auch in Niedersachsen bemerkbar. Selbst Landkreise im Bezirksgebiet, die noch bis vor Kurzem niedrige Inzidenzzahlen aufwiesen, melden einen Anstieg der Fallzahlen. Zu Beginn der zweiten Januar Woche ist der Wert lediglich in Friesland knapp unter 50.

Erschwerend kommt hinzu, dass durch die geringe Zahl an Tests über die Feiertage niemand so ganz genau weiß, wie sich die pandemische Lage in einer Region tatsächlich darstellt.

Nachrichten bringen zudem immer wieder vermeintliche Gewissheiten ins Wanken und die Politik in Zugzwang. Mit dem Auftauchen einer Corona-Mutation, die womöglich infektiöser als die bisherige sein könnte, müssen vielleicht bisherige Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung neu gedacht oder angepasst werden.

Generell ist die Zahl der Regeln, die in den letzten Wochen und Monaten gerade auch auf die Schulen einprasselten, enorm. Laufend wurden und werden Vorschriften ergänzt, verschärft, gelockert oder verändert: Der erste Rahmenhygieneplan vom April kam auf den noch überschaubaren Umfang von 10 Seiten. Die aktuelle Version 4.2 umfasst nun 50 Blätter.

Der Wunsch der Politik und weiten Teilen der Gesellschaft, die Kinder möglichst im Präsenzunterricht zu beschulen, ist aus vielen Gründen verständlich. Die Tatsache aber, dass Unterricht vor Ort in Corona-Zeiten offensichtlich nur stattfinden kann, wenn ganze Handbücher vorher gelesen und verinnerlicht werden, zeigt: Ganz sichere Orte sind Schulen per se erst mal nicht. Erst die vielen Vorschriften machen sie (vermeintlich) dazu. Infizieren sich Kinder oder schulisches Personal im Gebäude liegt der Verdacht erstmal nahe, dass hier wohl irgendwer eine Regel missachtet hat. Auf diese Weise wird nicht die Vorschrift an sich, sondern individuelles Verhalten hinterfragt.

Das Robert-Koch-Institut weist als beste Schutzmaßnahme gegen eine Corona-Infektion immer wieder auf das Abstandsgebot hin. Zwischen den einzelnen Personen in Schule sollte unbedingt auch in gut gelüfteten Räumen ein Abstand von 1,5 m gewahrt bleiben. 

Diesen Gedanken hat das Bundesbildungsministerium aufgenommen und Mitte November einen Vorschlag veröffentlicht, der vorsah, dass Klassen in größeren Räumlichkeiten außerhalb von Schule unterrichtet werden sollten. Dafür war ein Schulbetrieb in Kirchen oder in Festsälen von Gaststätten angedacht. 

Auch wenn diese Idee zu Recht umgehend in der Versenkung verschwand, zeigt sie doch eines: Schutz vor dem derzeitigen hohen Infektionsgeschehen und der Wunsch nach einer Beschulung der Schüler*innen im Präsenzunterricht lassen sich nur mit hohem Aufwand zusammenbringen. 

Das RKI geht davon aus, dass die Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung  in einer Region bis zu einer Inzidenz von 50 sicherstellen können. Bei höheren Werten steigt die Gefahr, dass Infizierte unentdeckt bleiben und weitere Menschen anstecken. Dies gilt auch für Schulen.

Womöglich gibt es bald neue Regeln.