Interview mit einem Fachpraxislehrer – Bereich Elektrotechnik/Informationstechnik

In der Reihe der Interviews kommt hier nun der letzte Bericht. Wir freuen uns über Rückmeldungen! Falls ihr also etwas anzumerken oder Fragen habt, meldet euch gerne bei uns!


Euer Ausschuss Fachpraxislehrkräfte


fachpraxis@gewweserems.de

Bernd, wie bist du Fachpraxislehrkräfte geworden?

Nach meiner zweiten Ausbildung im technischen Bereich habe ich die Meisterprüfung und die Prüfung zum Betriebswirt vor der Handwerkskammer abgelegt. 

Bis 2016 war ich sehr erfolgreich im Bereich Projektmanagement und Vertrieb tätig, wo ich an sehr vielen Weiterbildungsmaßnahmen und zusätzlichen Prüfungen teilgenommen habe. Als ich die Möglichkeit bekam, mich auf eine Stelle an meiner alten Berufsschule zu bewerben, wurde ich dort als Lehrkraft eingestellt. 

Die Entscheidung habe ich nicht bereut, denn vorrangig geht es in jedem Gespräch um Inhalte und nicht um Profit. Man kann all sein Wissen und die Erfahrungen an Schüler*innen und auch Unternehmen weitergeben. Auch fühle ich mich sehr viel mehr gefordert, denn Schüler*innen sind die härtesten Kunden der Welt.

Mit meiner Schule hatte ich einen wirklichen Glücksgriff. In meiner Abteilung, aber auch schulweit herrscht ein respektvolles und konstruktives Miteinander. Die Schul- und Abteilungsleitung sind sehr innovativ und respektabel.

In welchen Klassen unterrichtest du?

Mein Unterricht findet in Berufsschul- und in Vollzeitklassen statt. Mein hauptsächlicher Zeit- und Arbeitsaufwand ergibt sich aus der Tätigkeit in der Berufsschule. Hinzu kommt ein größerer Anteil in der Technikerschule. Mit einem kleinen Teil meiner bin ich in der Berufsfachschule Informatik eingesetzt. Weiterhin übernehme ich Unterricht (sog. Module) in den Fachoberschulen, im Technischen Gymnasium oder für andere Ausbildungsberufe, um auch dort Einblicke in Bereiche der Technik zu vermitteln.

Insgesamt sind es etwa zwanzig verschiedene Klassen mit unterschiedlichen Stundenzahlen.

Die Verschiedenheit der Lerngruppen und Lernfelder erfordern ein hohes Maß an Flexibilität und erhebliche Vor- und Nachbereitung.

Was ist aus deiner Sicht die größte Herausforderung, mit denen sich Fachpraxislehrkräfte auseinandersetzen müssen?

Die Fachpraxis stellt die Verbindung zwischen dem theoretischen Unterricht und der betrieblichen Praxis her bzw. ergänzt diese. Der große Vorteil ist, dass LfFP aus einem großen Fundus an praktischer Erfahrung schöpfen können. Somit können Sachverhalte auf verschiedene Weisen betrachtet und bearbeitet werden. 

Darin besteht auch die Herausforderung. Ein LfFP muss in den Laboren und Werkstätten die Sicherheit der Schüler immer gewährleisten und zusätzlich die Inhalte richtig vermitteln. Das erfordert eine sehr hohe Konzentrationsfähigkeit, sowie ein tiefgreifendes theoretisches Wissen. 

Laufend sind Absprachen und Informationsaustausche im Kollegium erforderlich, um praktische und theoretische Unterrichtsteile zeitlich aufeinander abzustimmen. 

Da wir die SuS zu den Fachkräften von morgen ausbilden, reicht es nicht, rein theoretisches Wissen zu vermitteln, dem die Verbindung zur Praxis fehlt. 

Daher wird diese Lücke mit der Erfahrung der betrieblichen Praxis gefüllt. Viele Fachpraxislehrer erkennen selbst nicht wie wertvoll ihre Arbeit ist, dass am Ende ein junger Mensch seine Bestimmung finden kann.

Was wünschst du dir als Fachpraxislehrkräfte? Was müsste sich aus deiner Sicht an den Bedingungen für Fachpraxislehrkräfte ändern?

Da Lehrer im Bereich Fachpraxis über eine sehr große berufliche Erfahrung verfügen, besteht immer verständliches Interesse dieses auch schulisch einzubinden. Daraus entstehen sehr viele ungebundene Stunden, zusätzlich zu der eh schon höheren Stundenzahl. Dieses große Engagement wird oft gar nicht sichtbar, da viele es gewohnt sind die Arbeit zu sehen und zu erledigen.

Die gleichwertige Arbeit, die reine Theoriekräfte und Fachpraxis Schulter an Schulter gemeinsam in Interesse der Schüler*innen und unserer Wirtschaft leisten sollte sich auch in gleichen Bedingungen niederschlagen. Diese Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung würde bereits von unserer Bundesregierung, den Ländern und der EU festgestellt.

Auch als Beispiel für unsere Schüler*innen, die fast ausschließlich aus dem Handwerk stammen oder in dieses gehen, ist es schwer zu vermitteln, warum ihre Bildung und Leistung weniger wert sein soll.

Ich würde mir auch für die Berufsschulen wünschen, dass sie Lehrkräfte viel flexibler einsetzen können. Unsere Bildung würde dadurch noch viel besser werden. Dabei muss es eine Rolle spielen, in welchen Bereichen liegt das jeweilige Charisma. Viele Fachpraxislehrkräfte haben viel mehr Fähigkeiten, die leider heute nicht ausgelebt werden können. Schaut man in die Wirtschaft sind die meisten Führungskräfte und Firmeninhaber Meister bzw. Techniker und leisten dort hervorragende Arbeit für unsere Gesellschaft. An dieser Stelle wäre mein Wunsch, dass alle Kollegen ihre Charismen entfesseln können.


Bernd Holthinrichs ist Lehrer im Bereich Elektrotechnik am BZTG Oldenburg und stellv. Landesvorsitzender eines großen Familienverbandes.

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