Man kennt es aus dem Restaurant. Der hungrige Gast hat eine ordentliche Bestellung aufgegeben und zu Beginn kommt der Kellner mit einer winzigen Portion Irgendwas, das als „Gruß aus der Küche“ serviert wird. Im Wesentlichen hat dieser Mini-Happen zwei Funktionen: Er soll signalisieren, dass der Koch die Küche schon betreten hat und dass er sich bemüht, die Zeit bis zum Hauptgang kreativ zu füllen.
Minister Tonne dürfte ähnlich gedacht haben, als er zu Beginn des zweiten Schulhalbjahrs 11 Punkte zur Entlastung der Lehrkräfte vorgestellt hat. Sein Amuse-Gueule enthält im Wesentlichen kleine Beiträge zum Abbau von mehr oder weniger belastenden Arbeitsprozessen in der Schule.
Dabei greift der Minister durchaus Forderungen der GEW auf, wenn er beispielsweise die Vergleichsarbeiten VERA 3 und VERA 8 aussetzen oder die Schulinspektion im Wesentlichen auf freiwilliger Basis stattfinden lassen möchte.
Wenn die generelle Dokumentation für jeden Schüler und jede Schülerin einem anlassbezogenen Verfahren weicht, dürfte auch zunächst die Erleichterung bei den Kollegen und Kolleginnen groß sein. Allerdings ändert dies nichts daran, dass ein pädagogischer Austausch grundsätzlich notwendig ist. Und dieser ist immer zeitintensiv – egal, ob er im standardisierten Schriftverfahren oder mündlich erfolgt.
In der Vergangenheit haben sich an vielen Schulen immer wieder Lehrkräfte in pädagogischen Konferenzen oder Klassenkonferenzen wiedergefunden, obwohl sie die Schüler*innen, um die es ging, gar nicht unterrichteten. Das Schulrecht sah diese Praxis vor. Wenn diese Praxis nun beendet wird, ist dies ebenfalls zu begrüßen.
Keine echte Entlastung dürfte allerdings die geplante Reduzierung der Anzahl der Fachkonferenzen auf eine Konferenz pro Schuljahr (statt Schulhalbjahr) in der Realität bringen. Der Gesprächsbedarf im Fachkollegium ist grundsätzlich vorhanden und frisst – egal ob in einer Konferenz oder in in der Pause- große zeitliche Ressourcen.
Grundschulkolleg*innen stellt der Minister eine „Verschlankung der Dokumentation“ beim Übergang in die weiterführenden Schule in Aussicht. Hier greift die Politik wiederum eine Forderung der GEW auf, ohne allerdings den Sinn des Übergangsprotokolls grundsätzlich in Frage zu stellen.
Auf den ersten Blick begrüßenswert scheint auch, dass Lehrkräfte am Gymnasium bei ihren Aufgaben entlastet werden sollen. Aber: Wenn z. B. Kolleg*innen Korrekturtage gewährt werden, darf dies nicht auf dem Rücken der Kollegen und Kolleginnen, die nicht im Abitur stecken und nun Vertretungsunterricht geben dürfen, erfolgen. Die genaue Umsetzung bleibt also abzuwarten.
Einige Punkte des Maßnahmenkatalogs dürften auch eher Kopfschütteln auslösen: Die geplanten Erleichterungen bei der Archivierungspflicht von Klassenarbeiten entlasten wohl die Schulverwaltung, nicht aber Kollegen und Kolleginnen in erheblichem Maße.
Wenn nun auch die verpflichtende jährliche interne Evaluation nur noch alle zwei Jahre erfolgt, dürfte dies in den meisten Schulen auch nur Achselzucken auslösen. Vermutlich wäre es an diese Stelle auch klüger gewesen, vor dem Hintergrund knapper personeller und zeitlicher Ressourcen
gleich die Sinnfrage zu stellen.
Bei zwei der angekündigten Punkte wird erst die Praxis zeigen, inwiefern hier wirklich Entlastungseffekte spürbar werden. Es handelt sich um den Plan, auf dem NIBIS Server Best-Practice-Beispiele und Musterkonzepte zu veröffentlichen, sowie die Ausgestaltung der „Erleichterungen bei der Vertragsgestaltung der Ganztagsschulen mit externen Partnern“.
Den vorgestellten Maßnahmen ist eines gemeinsam: Sie kosten entweder nichts oder sie sparen wie bei der Fokusevaluation sogar noch etwas finanzielle Ressourcen ein. Um aber tatsächlich an der durch die GEW-Arbeitszeitstudien der letzten Jahre nachgewiesenen Überlastung von Kollegen und Kolleginnen etwas entgegenzusetzen, reicht dieses Bündel nicht einmal im Ansatz. Doch daran führt kein Weg vorbei: Gerade eine deutliche Attraktivitätssteigerung des Lehrer*innenberufs ist nötig, um die weißen Flecken bei den Stellenbesetzungen in weiten Teilen unseres Bezirks langfristig zu bekämpfen. Nach wie vor fehlen Bewerber*innen.
Ohne den eigentlichen Hauptgang, der eine deutliche Personalaufstockung und deutliche Verbesserungen bei den arbeitszeitlichen Regelungen für Lehrkräfte bieten müsste, bleibt der 11-Punkte Plan lediglich ein Gruß aus der Küche und lässt einen hungrigen Gast zurück.
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