Maximal belastet, nicht mit den Bedingungen, aber mit dem Job zufrieden…

GEW veröffentlicht die Ergebnisse der Belastungsstudie

Am heutigen Montag (24.10.16) hat der Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft die Ergebnisse der Belastungsstudie veröffentlicht.
Das Resultat der Befragung von über 2000 Lehrkräften mag auf den ersten Blick überraschen. Demnach sind die meisten Kollegen und Kolleginnen mit ihrem Beruf hoch zufrieden. Gleichzeitig jedoch empfinden sie ihre Tätigkeit auf Grund der z. T. schlechten Arbeitsbedingungen als äußerst belastend. Was auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein scheint, erklärt sich bei genauerer Betrachtung. Die Lehrkräfte in Niedersachsen identifizieren sich hochgradig mit ihrer Tätigkeit,. Dieses Maß an intrinsischer Motivation ist offenkundig der Grund dafür, dass man Widrigkeiten in Kauf nimmt.
Die wesentlichen Ergebnisse

  • 85 % sind zufrieden mit der Arbeit, 95 % haben eine außerordentliche Identifikation mit ihrem Beruf
  • Gleichzeitig liegt die Bewertung der Arbeitsbedingungen bei 94 % im unteren Mittelfeld bzw. beim Ergebnis (sehr) schlechte Arbeit. Grundlage ist dabei der DGB-Index Gute Arbeit, ein seit Jahren anerkanntes Erfassungssystem vom Arbeitsbedingungen.
  • Im Index Gute Arbeit schneidet die Arbeitsintensität besonders schlecht ab. Neun von zehn Lehrern erleben oft oder sehr häufig Zeitdruck, drei Viertel müssen Abstriche bei der Qualität der Arbeit machen, um sie zu schaffen. Das machen sie nicht freiwillig: Über 80 % der Lehrkräfte empfinden dieses Runterschrauben als (eher) starke Belastung.
  • Großen Lärm erleben vier Fünftel der Lehrkräfte regelmäßig, auch dies ist ein großer Stressfaktor und nicht einfach wegzustecken.
  • Positiv hervorzuheben ist die starke Betriebskultur: Fast 90 % erleben Kollegialität und Unterstützung. Wo, kein gutes Betriebsklima herrscht, ist dies allerdings sehr belastend.

Stressfaktoren

Die Göttinger Forscher haben die Belastungsfragen mit den Tätigkeitskategorien der Arbeitszeitstudie verknüpft. Ergebnis: Die Arbeiten, in denen personenbezogene Entscheidungen gefällt werden, sind die größten Stressfaktoren: Abschlussprüfungen, Korrekturzeiten, Gutachten und Leitungstätigkeiten bekommen die höchsten Bewertungen, was für hohe Belastungen steht. Auch Konferenzen und Fahrten mit Übernachtung haben hohe Punktzahlen. Kleinere Fallzahlen – also kleinere Klassen – können hier Abhilfe schaffen. Dies hilft dann auch bei anderen großen Belastungen wie Lärm, die Begleitung von schwierigen Schülern oder der Umgang respektlosen Eltern. Diese Faktoren wurden von etwa 80 Prozent der Lehrkräfte als (sehr) belastend angegeben. 69 % der Lehrkräfte sagen generell, dass die Arbeit in großen Klassen besonders anstrengend sei.

Alltag von älteren Lehrkräften: längeres und stressigeres Arbeiten

Eine Stunde weniger unterrichten ab 55 Jahre – diese Maßnahme hat die Landesregierung vor drei Jahren gestrichen. Die Arbeitszeiterhebung und die Belastungsstudie zeigen, dass eine solche Ermäßigung dringend geboten ist. Es gilt: Je älter, desto länger wird die Arbeitszeit. Ab 55 sind mehr als 50 Stunden die Regel. Und es gilt: Je älter, desto größer der Anteil an besonders belastenden Tätigkeiten. Dieser Anteil steigt nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch in Relation zu den anderen Tätigkeiten: an Grundschulen von 9 auf 23 Prozent, an Gymnasien und Gesamtschulen von 15 auf 27 Prozent.
Ein großer Teil der Lehrkräfte geht nicht davon aus, die eigene Tätigkeit ohne Einschränkungen bis zum Renten-/Pensionsalter ausüben zu können.

Aufgaben in der Schule

Die Studie weist hohe Beanspruchungen aus, die mit neuen Anforderungen wie Inklusion und Ganztagsschule verbunden sind. Außerdem belasten der Umgang mit schwierigen Schülerinnen und Schülern, die Wahrnehmung des umfassenden Erziehungsauftrags, große Klassen, Klassenleitungstätigkeiten und Dokumentationsaufgaben.

Handlungsbedarf aus der Arbeitszeitstudie bestätigt

Die Ergebnisse der Belastungsstudie untermauern die Ergebnisse der Arbeitszeitstudie: Vollzeitkräfte arbeiten am Limit und darüber hinaus, Teilzeitkräfte leisten erhebliche unbezahlte Mehrarbeit, ebenso ältere Lehrerinnen und Lehrer. Die Landesregierung ist in der Pflicht, dringend die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wenn drei Viertel der Lehrer Abstriche an der Bildungsqualität machen müssen, um das Pensum zu schaffen, ist das kein hinnehmbarer Zustand.

Die vollständigen Ergebnisse der Arbeitszeitsstudie können hier eingesehen werden:

http://arbeitszeitstudie.gew-nds.de

Bezirksverband bietet Informationsveranstaltungen für Schulen an

Kollegien, die sich über die Arbeitszeitstudie informieren möchten, können beim Bezirksverband für ihre Schule ReferentInnen anfordern. Bei sehr kleinen Schulen bietet sich eventuell eine gemeinsame Veranstaltung mit mehreren Kollegien an. Der Kontakt zu den sogenannten MultiplikatorInnen kann über info@gewweserems.de hergestellt werden.

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