Schlechte Noten für die Inklusion – Flickenteppich in Deutschland

von Claudia Lüchtenborg

Es ist nun bewiesen, was viele unserer Kolleg*innen in Weser-Ems jeden Tag in den Schulen im Rahmen der Inklusion erleben: Die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention gelingt nicht ausreichend. Die Bundesregierung wurde von den Vereinten Nationen in Genf dafür gerügt. 14 Jahre nach der Ratifizierung gab es große Kritik für die mangelnde Umsetzung inklusiver Bildung durch die einzelnen Bundesländer, wobei die norddeutschen Länder sogar besser abschnitten. Die Exklusionsquote, also der Anteil der Schüler*innen, die weiterhin in Förderschulen beschult werden, ist im Bundesdurchschnitt kaum gesunken, und steigt in manchen Regionen sogar wieder an. Die Bundes-GEW forderte Bund und Länder bereits auf, mehr Verantwortung für die Umsetzung der Inklusion im Bildungsbereich zu übernehmen und mehr Ressourcen bereitzustellen. Denn es wurde deutlich, dass den Regelschulen weiterhin die dazu nötige Ausstattung und das Personal fehlen. Die Bundesregierung verweist aber ihrerseits bei der schulischen Umsetzung der Inklusion auf die einzelnen Bundesländer und entzieht sich so ihrer Mitverantwortung. Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern schlägt eine bundesweite Gesamtstrategie und eine Bund-Länder-Kooperation vor, statt einen Flickenteppich zu dulden.

Robert-Koch Stiftung stellt im Deutschen Schulbarometer (09/2023) Bemerkenswertes fest

Für deren repräsentative Umfrage (siehe Kasten) wurden Lehrkräfte verschiedener Schulformen bundesweit zum Thema Inklusion befragt. Danach sind 54 % aller Lehrkräfte davon überzeugt, dass eine inklusive Schule – eine Schule für alle – grundsätzlich richtig ist. 

Bei den Lehrkräften, die sich als Expert*innen bezüglich einer inklusiven Beschulung einschätzen, ist die Zustimmung mit 80 % weitaus höher. 

Dennoch glauben knapp drei Viertel der Lehrkräfte (73 %), dass Schüler*innen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf (im Moment) an Sonder- und Förderschulen besser gefördert werden können. 

Was könnten die Gründe dafür sein?

77 % der Lehrkräfte geben an, dass für eine adäquate inklusive Beschulung multiprofessionelle Fachkräfte an ihrer Schule fehlen. Ebenfalls drei Viertel der Lehrkräfte (75 %) benötigen mehr Lernräume für einen differenzierten Unterricht sowie eine höhere Qualität von differenzierten Lehrmaterialien (72 %). Auch kann nur jede zweite Lehrkraft bestätigen, dass es an ihrer Schule ein Inklusionskonzept gibt. 

Nur etwa jede zehnte Fachkraft (9 %) wurde im Studium ausreichend für einen inklusiven Unterricht vorbereitet, bei Quereinsteiger*innen sind es 17 %.

Es fehlt also nicht nur an Fachpersonal, ausreichend Zeit und Räumen, sondern auch an der Vermittlung von Kompetenzen für einen differenzierten Unterricht während des Lehramtsstudiums und der Weiterbildung. Es gibt zwar zahlreiche Weiterbildungsangebote und auch die Universitäten und Studienseminare haben nachgebessert. Doch die Fachkompetenz kommt an der Basis nicht immer an.

Möglicherweise ist die vom MK erstellte Broschüre „Schule gestalten – Freiräume nutzen“ ein erster Schritt in Richtung Veränderung von Schule. Damit könnten beispielsweise Unterrichtsstunden für offene Arbeitsformen genutzt werden, die Raum für Differenzierung oder mehr Freiheiten in der Unterrichtsgestaltung böten. 

Aber vielleicht ist es auch ein Schritt zurück? 

Der Flickenteppich könnte noch bunter werden, wenn die Verantwortung vom Land auf die einzelnen Schulen verlagert würde.