Mehrere Oldenburger Grundschulen wenden sich erneut mit Hilferufen an Kultusminister Grant Hendrik Tonne und rechnen vor, was es konkret im Schulalltag bedeutet, mit unzureichenden Förderschullehrkräftestunden Inklusion umzusetzen. Die personelle Ressourcenzuweisung im Rahmen der Inklusion ist desolat.
Dieser Umstand ist nicht neu – die Situation wird aber offensichtlich schlechter als besser.
In der Theorie stehen Grundschulen zwei Förderschullehrkräftestunden pro Klasse in der Woche für eine präventive Unterstützung als sogenannte sonderpädagogische Grundversorgung zu. An Oldenburger Grundschulen kommt diese Fachexpertise auch tatsächlich an; dies ist in anderen Regionen des Bezirks nicht der Fall.
Außerdem müssen von diesen zwei Stunden die Kinder mit festgestelltem Unterstützungsbedarf im Bereich Lernen, Sprache und emotionale und soziale Entwicklung sonderpädagogisch versorgt werden.
Bei festgestelltem Förderbedarf für andere Bereiche, z.B. für den Bereich geistige Entwicklung (5 Std.) oder körperlich-motorische Entwicklung (3 Std.), bekommt die Schule für diese Kinder zusätzliche Ressourcen für den sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf.
In der Grundschule müssen also die zwei Stunden Grundver-sorgung für sie UND für die Präventionsaufgaben allgemein reichen – unabhängig davon, wie viele Kinder mit diesen Bedarfen in einer Klasse sind.
Das ist viel zu wenig und schafft große Ungerechtigkeiten, da es Grundschulen mit vielen Kindern und Schulen mit fast niemanden aus dieser Gruppe gibt.
So kann Inklusion nicht funktionieren.
Irreführend ist zudem die Bezeichnung „Sonderpädagogischer Förderbedarf“ für die kindgebundenen zusätzlichen Ressourcen, denn den betroffenen Schulen werden die oben benannten Stunden zwar statistisch als Zusatzbedarf zur Unterrichtsversorgung hinzugerechnet, jedoch werden für diese Ressourcen nicht zwangsläufig Sonderpädagog:innen zur Verfügung gestellt.
Seit Einführung der inklusiven Schule bei gleichzeitigem Mangel an Förderschullehrkräften sowie Aufrechterhaltung des Doppelsystems (Förderschule – inklusive Schule) trocknet der Pool an sonderpädagogischer Fachexpertise mehr und mehr aus.
So kann Inklusion nicht funktionieren.
Durch den eklatanten Mangel an Förderschullehrkräften wird es mehr und mehr Normalität, dass ein sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf durch eine Regelschullehrkraft oder durch andere Berufsgruppen abgedeckt wird.
Einer Schülerin oder einem Schüler mit dem Förderbedarf geistige Entwicklung stehen an inklusiven Schulen fünf Stunden sonderpädagogische Förderung zu. Aktuell kommen in Oldenburg (zumindest auf dem Papier) vier Stunden durch eine Förderschullehrkraft und eine Stunde durch eine Grundschullehrkraft beim Kind an. Und mit dieser Zuweisung steht Oldenburg im Vergleich zu anderen Regionen noch sehr gut da!
In der Praxis hingegen sieht es aber häufig so aus, dass die Stunden weder mit sonderpädagogischer Fachexpertise noch kontinuierlich bei den Schüler:innen ankommen: Regelschullehrkräfte werden zur Vertretung eingesetzt und bei Personalengpässen werden Doppelsteckungen als erste Maßnahme gegen Unterrichtsausfall aufgelöst.
So kann Inklusion nicht funktionieren.
Was Grundschulen dringend brauchen: -Ausbau und Aufstockung der Stunden für Förderschullehrkräfte - Bedarfsgerechte Zuteilung von zusätzlichen Stunden - neben der sonderpädagogischen Grundversorgung - Frühzeitige Anerkennung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs -falls erforderlich - Feste Zuordnung der Förderschulkolleg:innen an den Grundschulen - Bereitstellung ausreichender Studien- und Ausbildungs-kapazitäten - A 13 für alle LK
Der Mangel an qualifizierten Kräften wird auf den Rücken der Kinder und der Beschäftigten ausgetragen. Der Gesellschaft hingegen wird das Scheinbild einer gelungenen Inklusion an Grundschulen suggeriert.
Mit einem eindringlichen Appell an Herrn Tonne, seiner Fürsorgepflicht nachzukommen und das Scheitern der Inklusion zu verhindern, enden die Briefe.