Wie bist du Fachpraxislehrkräfte geworden, Marcus?
Ich bin gelernter Koch und staatlich geprüfter Lebensmitteltechniker. Mehr als 26 Jahre habe ich als Koch und Küchenleiter in allen gängigen Branchen der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung gearbeitet. Während dieser Zeit erwarb ich umfangreiche Fachkompetenzen und erweiterte meine sozialen und personellen Kompetenzen. Während meines Abschlusses der Fachschule für Technik und der Ausbildung zum Lebensmitteltechniker blieb für mich zunächst die Frage offen, in welcher Branche ich fortan tätig sein möchte.
In meiner Zeit als Koch und Küchenleiter wirkte ich bereits als Ausbilder. Die Arbeit mit dem Berufsnachwuchs machte mir damals schon große Freude. So stand für mich doch ziemlich bald die Entscheidung fest, mich um eine Anstellung im Bildungssystem zu bemühen. Zunächst erhielt ich an meiner jetzigen Schule die Möglichkeit mich als Feuerwehrlehrkraft zu beweisen. Nach zwei Jahren im befristeten Anstellungsverhältnis durfte ich berufsbegleitend am Studienseminar teilnehmen, das 24 Monate umfasste. Dort erwarb ich die notwenigen pädagogischen, didaktischen und methodischen Grundlagen für eine Tätigkeit als LfFp. Nun arbeite ich seit mehr als acht Jahren als LfFp an einer Berufsschule.
In welchen Klassen unterrichtest du?
Ich bin an der BBS ausschließlich im Schulbereich der Produktionsschule tätig und unterrichte hier in zwei unterschiedlichen Klassen. In der Produktionsklasse Catering bin ich als Fachpraxis- und zugleich Klassenlehrer eingesetzt. Meine Hauptverantwortung bei dieser Klasse liegt darin, zusammen mit den SuS für den Kiosk der Schulzweigstelle ein täglich frisches Angebot bereitzustellen. Zusätzlich bearbeiten wir von außerhalb der Schule kommende Aufträge im Cateringbereich. Mittlerweile haben wir uns im Landkreis einen guten Namen mit unserer Produktionsschule erarbeitet, so dass unsere SuS im Unterricht einen realitätsnahen Bezug zum Berufsalltag und zur beruflichen Wirklichkeit erhalten. Dabei können sie selbst überprüfen, ob sie den Arbeitsanforderungen während einer gewerblichen Ausbildung in diesem Bereich gerecht werden können.
Meine anderen Stunden entfallen auf die Produktionsklasse „Großküche“. Hier sollen die SuS einen täglich wechselnden Mittagstisch bereitstellen. Dieser wird in erster Linie für andere SuS der Produktionsschule angeboten, aber auch externe Gäste sind nach vorheriger Absprache herzlich willkommen.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Zusätzlich zu den alltäglich notwendigen Dingen wie Arbeitsschutz, Hygiene und Schülermotivation stehen wir unter dem Druck, jeden Tag hochwertige und gleichbleibend gute Arbeit zu erbringen, um unter ernährungsphysiologischen und pädagogischen Gesichtspunkten das tägliche Angebot des Kiosks für die SuS und Lehrkräfte bereitzustellen.
Das Herstellen abwechslungsreicher, frischer Kioskangebote können wir nur leisten, weil wir in der Produktionsklasse „Catering“ Lehrkraft-Doppelbesetzung arbeiten. Ohne die Doppelbesetzung könnten wir unsere
Qualitätsstandards nicht halten und auch den SuS im Fachpraxisunterricht nicht gerecht werden. Die Vorgaben für unsere Arbeit ändern sich tagesaktuell. Wir haben ausschließlich die ersten zwei Schulstunden des Vormittags zur Verfügung, um mit den SuS gemeinsam die Kioskprodukte herzustellen und anzubieten. Dies ist eine der Hauptanforderungen unserer täglichen Arbeit. Die SuS-/ und Lehrer*innen-zufriedenheit steht dabei im Vordergrund.
Zusätzlich legen wir großen Wert auf die Außendarstellung unseres Arbeitsbereichs. Letztlich ist unser Ziel, die SuS auf einen Beruf im Gastronomie-bereich vorzubereiten. Hier verstehen wir uns als Lernbegleiter*innen der SuS und versuchen den/die Einzelne/n in seinem/ihrem individuellen Lernprozess dort abzuholen, wo er/sie sich gerade fachlich und persönlich befindet.
Das erweist sich oftmals als enorme Herausforderung, denn wir bekommen in jedem Schuljahr zunehmend SuS mit eher bildungsfernem Hintergrund. Zusätzlich begegnen wir in unserem Unterricht, infolge der Zuwanderungen, immer stärker und häufiger den Sprachmängeln bei SuS mit Migration.
Wir müssen in unserer Arbeit ständig flexibel und empathisch agieren. Sich immer wieder für Neues zu öffnen, ist ebenfalls eine tägliche Anforderung an uns. Denn wir sollen und wollen bestmögliche Voraussetzungen dafür schaffen, jeden unserer SuS optimal zu fördern und auf den individuell passenden beruflichen Weg zu bringen.
Was wünschst du dir als Fachpraxislehrkräfte? Was müsste sich aus deiner Sicht an den Bedingungen für Fachpraxislehrkräfte ändern?
Eine auch materielle Wertschätzung, um eine derart herausfordernde Tätigkeit gleichbleibend gut und engagiert auszufüllen, ist unabdingbar.
Doch die großen Unterschiede bezüglich der Anerkennung unserer täglichen Arbeit, insbesondere bei der Vergütung, sind unübersehbar.
Hier wünsche ich mir gleiches Geld für die gleiche Arbeit, zumindest sollte eine den tatsächlich durchzuführenden Aufgaben und Tätigkeiten gerecht werdende Anpassung der Gehälter stattfinden. Auch die Stundenzahl bei der Unterrichtsverpflichtung müsste nach unten korrigiert werden, um das Ungleichgewicht zwischen Theorie und Fachpraxis zu verringern.
Die Möglichkeiten des Aufstiegs von Lehrer*innen für Fachpraxis und die Weiterentwicklung durch Fort- und Weiterbildung müssen vorangebracht werden.
Marcus Petruttis unterrichtet an der BBS Osterholz-Scharmbeck.
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