Landesrechnungshof kritisiert Ressourcenverschwendung bei der Umsetzung der schulischen Inklusion in Niedersachsen

Der Bericht  des Landesrechnungshofes (LRH)  stellt fest, dass sich personelle und finanzielle Ressourcen in beträchtlicher Höhe einsparen lassen. So sei  z. B. das  Verfahren zur Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs in der derzeitigen Form kostenintensiv, zeitintensiv und außerdem nicht mehr erforderlich.

Der zeitliche Aufwand für jedes Verfahren beträgt für die beteiligten Lehrkräfte ca. 43 Stunden, für die Behörde im Durchschnitt 2,33 Stunden. Landesweit summieren sich die Bearbeitungszeiten auf insgesamt 665.207 Stunden pro Jahr. Die Kosten betragen dabei laut Bericht 39,3 Mio. Euro. Zu dieser Problematik gibt es bereits eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag:

Das Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs soll in diesem  Zusammenhang ebenfalls grundsätzlich überprüft und ggf. objektiviert und angepasst  werden.“ (Zeile 495 ff)

„In diesem Zusammenhang“ heißt hier allerdings im Hinblick auf eine bessere Versorgung der inklusiven Schulen mit Lehrer*innenstunden. 

Neben dem derzeitigen Feststellungsverfahren gehört die individuelle, schüler*innenbezogene Stundenzuweisung in den weiterführenden Schulen auf den Prüfstand. Dieses System entspricht einem Finanzierungsanteil von 5000 Euro pro Schüler*in. Im Gegensatz dazu schlägt die sog. systemische Ressourcenzuweisung (sonderpäd. Grundversorgung wie an GS) mit nur 360 Euro je Kind zu Buche. Der Bericht des LRH stellt detailliert dar, wie es in den letzten Jahren vor allem im Bereich der weiterführenden Schulen zu einer enormen Kostenexplosion gekommen ist. Weiterhin werden die Vorteile einer sonderpäd. Grundversorgung für sämtliche Schulformen erläutert. Für die Grundschulen würde sich beinahe eine Verdreifachung der Stundenzuteilung ergeben. Aber die Einführung einer ausschließlich systemischen Ressourcenzuweisung, so wie es der LRH vorschlägt, würde die Verantwortlichen unter erheblichen Zugzwang setzen. Denn diese Umstellung verlangt eine möglichst ausgeglichene Inklusionsquote. Die beträgt an Hauptschulen allerdings 14,6% und an Gymnasien gerade mal 0,5%. Wie sollten unsere Politiker*innen nun erklären, dass beispielsweise  Gymnasien dieselbe pauschale Stundenzuweisung erhielten wie Hauptschulen. An den landesweit 257 Gymnasien werden lediglich 632 Schülerinnen und Schüler inklusiv beschult. 87 Gymnasien haben eine Inklusionsquote von genau 0%. 

Zu den unterschiedlichen Inklusionsquoten äußern sich die Autoren des Berichts auf S. 19:

„Nach Auffassung des LRH sollten die Hauptschulen vor allem dadurch entlastet werden, dass andere Schulen verstärkt Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf aufnehmen. Er verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die im Vergleich zu Hauptschulen umfassenderen Bildungsziele beispielsweise der Realschulen und Gymnasien erhöhte Anforderungen an die Lernkompetenz und das Verhalten der Schülerinnen und Schüler stellen. Hierfür fehlen zurzeit praxistaugliche Konzepte über die Voraussetzungen sowie flankierende Maßnahmen insbesondere für eine erfolgreiche Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf an Gymnasien.“

Die Schüler*innenzahlen an den Hauptschulen nehmen kontinuierlich ab. Gleichzeitig wird aber die überwiegende Anzahl der SuS mit Unterstützungsbedarf dort angemeldet. Das führt laut Bericht des LHR dazu, „dass Hauptschulen innerhalb weniger Jahre den Status faktischer Förderschulen erlangen könnten.“ (S. 19)

Diese Prognose des LRH scheint sich zwei Jahre später zu bestätigen. 

Das hat zur Folge, dass sich das gesamte Gefüge durch die Schulformwahl der Eltern verschiebt. So werden, wenn es die äußeren Umstände zulassen, Oberschulen zu Hauptschulen und Gesamtschulen ggf. zu Oberschulen. Realschulen und Gymnasien bleiben bestehen. Es bleibt somit alles beim Alten. Im Grunde keine wirkliche Inklusion bis zum heutigen Tag. Und anstatt endlich zu handeln, lassen die Verantwortlichen die Kosten weiter aus dem Ruder laufen. Lieber werden den weiterführenden Schulen Zugeständnisse gemacht, indem von der Abschaffung der Förderschulen Abstand genommen wird.  Der LRH hält die dadurch entstandene Doppelstruktur angesichts des Fachkräftemangels und der entstehenden Kosten für problematisch. In diesem Zusammenhang wird sich der Personalengpass an den niedersächsischen Schulen noch weiter verschärfen.

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